Sicherheitsgipfel nach Frauenmorden: Was die Regierung plant

Sicherheitsgipfel nach Frauenmorden: Was die Regierung plant
Bei jeder Polizeiinspektion sollen spezialisierte Beamte sitzen, zudem soll es eine Kampagne zur Sensibilisierung gegen Gewalt im Privatbereich geben. Geplant sind auch Motivforschungen zu Femiziden.

Neun Frauenmorde gab es allein in diesem Jahr. Diese Bilanz ist der Anlass für einen Sicherheitsgipfel heute im Innenministerium. Die Regierung schnürt ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt. 

Innenminister Karl Nehammer, Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) informierten im Vorfeld der Sitzung über die geplanten Maßnahmen. 

Gleich vorweg: Mehr Geld gibt es nicht. Bestehende Maßnahmen sollen intensiviert, die Bevölkerung sensibilisiert und das Angebot breiter bekannt gemacht werden. 

Innenminister Karl Nehammer sagte gleich zu Beginn: "Wenn sich Frauen bedroht fühlen und Hilfe brauchen, dann gibt es eine Nummer: 133." Die Notrufnummer sei der erste Schritt, alles weitere werde von da an koordiniert. Die Regierung sei "fest entschlossen", betonte er, der Gewalt gegen Frauen ein Ende zu setzen.

"Tief betroffen" von den Morden in den vergangenen Monaten zeigte sich auch Frauenministerin Susanne Raab. Sie sagt: "Häusliche Gewalt ist niemals Privatsache, es muss immer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, dagegen anzukämpfen." 

Der Kritik, dass zu wenig Geld für Gewaltschutz zur Verfügung stehe, konterte Raab, dass das Frauen-Budget in den vergangenen eineinhalb Jahren um 43 Prozent erhöht worden sei, ein Großteil davon sei in den Gewaltschutz geflossen. "Keine Frau wird bei einem Frauenhaus oder einem Gewaltschutzzentrum abgewiesen", betonte Raab. 

"Wir wissen, dass ein Mord immer am Ende einer Gewaltspirale steht", sagte Justizministerin Alma Zadic. Alle seien aufgerufen, diese Spirale zu unterbrechen - bevor etwas passiert. Sie will unter anderem die Beweismittelsicherung verbessern und Opferschutzorganisationen dabei einbinden. 

228 Millionen gefordert

Diese Organisationen waren bei dem Gipfel übrigens nicht eingeladen, dafür soll es nächste Woche einen Runden Tisch im Bundeskanzleramt geben. 

Die Organisationen forderten bei einem Pressegespräch am Montag ein Förderbudget von 228 Millionen Euro und zusätzlich rund 3.000 neue Arbeitsstellen im Opferschutz, um ihre Arbeit auszuweiten und längerfristig abzusichern (mehr dazu unten). 

Von einem Budget-Plus ist im Paket allerdings keine Rede. Hier ein Überblick über die Maßnahmen, die nun verstärkt werden sollen. 

  • Ansprechpersonen bei der Polizei:

In jeder Polizeiinspektion sollen speziell geschulte Polizistinnen als „Sicherheitsbeauftragte“ für Frauen zur Verfügung stehen und mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt sein. „Dadurch kann zielgerichtet und vor Ort Beratung und Hilfe angeboten werden“, sagt Innenminister Nehammer, der von rund 800 Beamtinnen und Beamten spricht. Die Aufstockung habe bereits begonnen.

  • Kontaktaufnahme zu Stalking-Opfern:

Nach Anzeigen von Stalking-Vorfällen sollen Gewaltschutzeinrichtungen die Opfer proaktiv kontaktieren. Dazu braucht es noch eine Gesetzesanpassung.

  • Verstärkte Fallkonferenzen:

Unter Türkis-Blau wurden die Fallkonferenzen abgeschafft, unter Türkis-Grün wurden sie wieder eingeführt und gesetzlich verankert. Das sind regelmäßige Sitzungen von beteiligten Stellen, die über jeden einzelnen Fall und seine Entwicklung beraten.

„Die Fallkonferenzen sind ein wichtiges und probates Mittel zur Vernetzung zwischen den Sicherheitsbehörden. Ich habe daher die Landespolizeidirektoren angewiesen diese Maßnahmen nachhaltig zu verankern“, sagt Innenminister Nehammer. Kritisiert wurde von Opferschützern, dass nur die Polizei diese Fallkonferenzen einberufen kann – und heuer noch keine stattgefunden haben.

  • Motivforschung zu „kulturell bedingter Gewalt“

Frauenministerium und Bundeskriminalamt wollen alle Tötungsdelikte an Frauen der vergangenen zehn Jahre untersuchen lassen, um festzustellen, welche Rolle das „Phänomen der kulturell bedingten Gewalt“ spielt. Untersucht wird, welche polizeilichen Maßnahmen es vor dem Mord gab (Wegweisung bzw. Betretungsverbote), wer die Täter waren (Staatsbürgerschaft, Herkunft) und was ihre Motive waren.

Frauenministerin Raab sagt: „Psychische Störungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch aber auch ehrkulturelle Machtphantasien und patriarchales Eigentumsdenken können Faktoren sein, die zu Gewalt führen. Das werden wir uns gemeinsam mit dem Innenminister genau untersuchen, um dann zusätzliche Maßnahmen ableiten zu können.“

  • Evaluierung der Frauenmorde seit 2016:

Noch eine Untersuchung ist geplant – offenbar von Seiten der Justiz. Untersucht werden sollen die Umstände von Femiziden seit 2016. Konkret gehe es darum, welche Informationen die Justiz vor der Tat erhalten hat. Ob sich hinter diesen Vorhaben eine Kritik an den Polizeibehörden versteckt, bleibt vorerst offen.

  • Kampagne zu Gewalt an Frauen und Mädchen:

Bereits während des ersten Lockdowns gab es von Frauenministerin Raab und Innenminister Nehammer eine Kampagne zur Sensibilisierung und Aufklärung. Diese Kampagne gegen „Gewalt in der Privatsphäre“ wird nun intensiviert.

„Mir ist besonders wichtig, dass jede Frau weiß, dass sie in Österreich Hilfe findet, einen Zufluchtsort hat, wo sie bereits bei den ersten Anzeichen Schutz findet. Und um das noch einmal in die Breite zubringen werde ich gemeinsam mit dem Innenminister eine weitere Sensibilisierungs-Kampagne starten“, sagt Frauenministerin Raab.

  • Verbesserungen beim Sichern von Beweismitteln:

Innen- und Justizministerium wollen Maßnahmen setzen, damit die Wahrscheinlichkeit für Verurteilungen erhöht werden kann. So soll etwa erhoben werden, ob und wann ein Beschuldigter bereits früher durch Gewalttaten auffällig wurde, ob es schon Anzeigen oder Wegweisungen gab und ob sich der Beschuldigte an seine Auflagen gehalten hat.

Justizministerin Zadic sagt: „Die bestmögliche Sicherung von Beweisen durch Polizei und Staatsanwaltschaften ist eine Voraussetzung für eine spätere Verurteilung der Täter vor Gericht. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich die Staatsanwaltschaften mit den Opferschutzeinrichtungen noch besser vernetzen.“

  • Schonender Umgang mit Opfern bei Gericht:

Bereits jetzt werden Einvernahmen von Gewaltopfern auf Video aufgenommen, um eine Begegnung mit dem Täter vor Gericht zu vermeiden. Das soll jetzt verstärkt werden.

„Gewalterfahrungen stellen eine extreme Belastung für die betroffenen Frauen dar. Daher stärken wir die kontradiktorische Einvernahme und die psychosoziale Begleitung, um Opfer von häuslicher Gewalt in dieser schwierigen Situation zu unterstützen“, sagt Justizministerin Zadic.

Zudem sollen Staatsanwaltschaften gezielter auf das Angebot einer psychosozialen Prozessbegleitung hinweisen. Richter und Staatsanwälte bekommen in ihrer Ausbildung auch eine Schulung zum Thema Opferschutz absolvieren. Das Aus- und Fortbildungsprogramm soll nun verbessert werden.

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