Sexualstrafrecht: Warum die Regierung die Verschärfung verschiebt
Als Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ), Familienministerin Claudia Plakolm (ÖVP) und Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) am Mittwoch das Ministerratsfoyer bestritten, hatten sie nur bedingt Neues zu erzählen.
Stimmt schon: Die Dreier-Koalition verabschiedete den „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen“. Doch das 24-seitige Konvolut beinhaltet allerlei Maßnahmen, die man bereits kennt: Von Schutzzonen für Frauen vor Abtreibungskliniken über Kinderschutzkonzepte in Schulen, bis hin zu einer bundesweit „einheitlichen Verletzungsdokumentation“, damit Gewalt konsequent geahndet werden kann.
„Gewalt hat keine Religion, sie kommt in allen sozialen Schichten vor, aber: Sie hat ein Geschlecht“, sagt Holzleitner. Und wenn sie sagt, dass es einfach inakzeptabel ist, wenn Frauen oder Mädchen hierzulande Angst haben müssen, weiß sie beide Koalitionspartner an der Seite.
Nicht ganz so geeint ist die Regierung bei der Verschärfung des Sexualstrafrechts und dem sogenannten Konsensprinzip.
Zur Erinnerung: Die Koalition hat die Verschärfung im Regierungsprogramm paktiert. Doch während es Anfang der Woche noch so aussah, als könne das Konsensprinzip („Nur Ja heißt Ja“) zumindest verklausuliert beschlossen werden, hat sich der Zeithorizont deutlich verschoben: Man werde „bis ins zweite Quartal 2026“ eine Reform des Sexualstrafrechts vorlegen.
Warum erst in einem halben Jahr?
Darauf gibt es eine diplomatische und eine realpolitische Antwort.
Erstere geht so: „Die Diskussionen sind noch nicht in allen Punkten abgeschlossen, wir benötigen Zeit, um Experten zu hören.“
Die politische Antwort lautet, dass vor allem die ÖVP noch Zweifel hegt, ob das Konsensprinzip die Lage wirklich verbessert.
Auch hier eine Einordnung: Der Unterschied zum seit 2015 geltenden Prinzip „Nein heißt Nein“ bestünde darin, dass sich die Aufmerksamkeit bei Ermittlungen verschiebt: Während ein Opfer heute nachweisen muss, dass der „Sexualakt“ gegen seinen Willen passiert ist, richten Polizei und Justiz beim Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ die Aufmerksamkeit auf den möglichen Täter: Hat er (und in den meisten Fällen geht es um Männergewalt an Frauen) wirklich mit Fug und Recht annehmen dürfen, dass Einvernehmen herrscht? Oder hat er den Willen der Frau ignoriert?
Ein Grund, warum die ÖVP im Hintergrund bremst, ist der, dass auch einzelne Staatsanwälte bezweifeln, ob das Prinzip in der Praxis Wesentliches ändert.
Denn: Das Prinzip „in dubio pro reo“, also im Zweifel für den Angeklagten, muss auf alle Fälle weiterhin gelten, es ist ein Grundprinzip des Rechtsstaates.
Und auch an der Wahrheitsfindung ändert das Konsensprinzip im Kern nicht wirklich Großes – bis eben auf die erwähnte Frage, wen man bei den Ermittlungen in den Fokus nimmt.
Die SPÖ forciert das Thema dennoch, ihr geht es um die politische Haltung, um ein Signal nach außen, an die Gesellschaft.
Die Neos sind in diesem Fall ebenfalls nicht ganz auf SPÖ-Linie. So heißt es gegenüber dem KURIER, dass eine Gesetzesverschärfung im Sinne von „Nur Ja heißt Ja“ zwar wichtig sei. Allerdings seien schärfere Gesetze allein zu wenig. Denn nicht nur die Tat sei das Problem, sondern „das System, das Betroffene im Stich lässt“. So sei die Kluft zwischen Anzeigen und Verurteilungen erschütternd – und das gelte es zu beheben.
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