Schallenberg: "Nuklearenergie ist eine tickende Zeitbombe"

Schallenberg: "Nuklearenergie ist eine tickende Zeitbombe"
Kanzler Alexander Schallenberg positionierte sich beim EU-Gipfel mit deutlichen Worten zur Atom-Debatte.

Nach dem ersten Tag des EU-Gipfels hat Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) in Brüssel eine relativ positive Bilanz gezogen. Beim heiß diskutierten Rechtsstaatsstreit mit Polen hob Schallenberg hervor, dass diese Diskussion von Respekt getragen war - "Werte à la carte" gebe es in der EU trotzdem nicht.

Die EU-Kommission kämpft seit längerem mit Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Teile der polnischen Justizreformen und sieht das jüngste Urteil des polnischen Verfassungsgerichts als Gefahr für die Rechtsordnung der EU.

Konkret hatten die höchsten polnischen Richter Anfang Oktober entschieden, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Diese Entscheidung gilt als höchst problematisch, weil sie der nationalkonservativen PiS-Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des EuGH zu ignorieren. Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass EU-Recht grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht hat.

Zwar könne es nicht sein, "dass sich ein Staat einseitig ausklinkt", jedoch habe er darauf Wert gelegt, dass hier die weitere Diskussion nicht nur auf dem Rechtsweg geführt werden kann, sagte Schallenberg kurz nach Mitternacht.

Neben der finanziellen Drohkulisse bedürfe es auch des Dialogs: "Die Mitgliedsstaaten haben auch eine gewisse Mitverantwortung bei diesen Prozess." Gerade Österreich wolle, dass das Zusammenwachsen mit den Staaten funktioniere, die nach 2004 zur EU kamen: "Wir sind ein großer Profiteur der Osterweiterung", unterstrich der Kanzler. Er erlebte den Versuch einer Diskussion auf Augenhöhe, "was ich für sehr wesentlich halte" - trotzdem sei der Sukkus der Diskussion: "Es gibt keine Werte à la carte, man muss sich zu diesen bekennen."

Atom-Debatte: "Interessante Tonalitäten"

Auf der Tagesordnung standen in erster Linie die steigenden Energiepreise, insbesondere jene für Gas. Schallenberg stellte nach harten Debatten fest: Es kam zu keiner Vermischung der aktuellen Situation mit dem Umstieg zu erneuerbaren Energien, dem Green Deal oder EU-Programm "Fit for 55". Zudem sei als zweiter Punkt die Atomenergie nicht einmal indirekt angesprochen worden. Österreich sei es zusammen mit Luxemburg gelungen, dies zu verhindern.

Der Bundeskanzler merkte in diesem Kontext an, dass er im Laufe der Atom-Debatte "interessante Tonalitäten" wahrgenommen hätte, so habe es von schwedischer Seite die Feststellung gegeben, dass Nuklearenergie aktuell nicht zu vermeiden, aber mittel- und langfristig trotzdem keine Lösung sei. Die Diskussion über Nuklearenergie werde nicht verschwinden, sagte Schallenberg Ö1: "Unsere Antwort ist ganz klar: Wir sehen Nuklearenergie weder als nachhaltig, noch als sicher. Das ist in Wirklichkeit eine tickende Zeitbombe."

Insgesamt sei man bei der Energiepreisfrage dazu übereingekommen, nicht vorschnell zu intervenieren: "Es wird festgestellt, dass die EU zu Energiepreisen beiträgt, die leistbar sind, aber gleichzeitig diese letztlich auch nicht sicherstellen kann", hier hob Schallenberg auch seine Einigkeit mit niederländischen Premier Mark Rutte hervor, die Erwartungshaltungen nicht zu überspannen. "Der jetzige Text ist ausgewogen", bilanzierte der Kanzler, er nehme die Lage ernst, sei aber nicht überzogen.

Alexander Schallenberg in neuer Rolle als Bundeskanzler in Brüssel

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