Schallenberg kündigt mögliche neue Schritte in Österreich an und warnt Polen

Schallenberg kündigt mögliche neue Schritte in Österreich an und warnt Polen
"Pandemie der Ungeimpften ohne Not" - Nach Treffen mit Gesundheitsminister und Landeshauptleuten sei "nichts ausgeschlossen".

Anlässlich der aktuellen Entwicklung bei den Corona-Neuinfektionen in Österreich hat Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) am Donnerstag bei seiner EU-Gipfel-Premiere ein Treffen mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und den Landeshauptleuten für Freitag angekündigt, "da werden wir die nächsten Schritte beraten". "In Österreich nähern wir uns 4.000er-Zahlen", so Schallenberg, der von einer "Pandemie der Ungeimpften ohne Not" sprach.

Nach fast 3.700 Neuerkrankungen, die am Donnerstag in Österreich vermeldet wurden kam in Brüssel auch die Frage nach der Notwendigkeit einheitlicher Maßnahmen in allen Bundesländern auf . Für den Bundeskanzler lautete die Frage jedoch: "Welche Schritte setzen wir bei den Zögerern und Zauderern?", denn es gelte die Impfrate zu steigern. "Wir haben genug Impfstoffe und stolpern ohne Not in eine Pandemie der Ungeimpften". Für diese Gruppe werde es in den kommenden Monaten schwierig werden, von daher wiederholte Schallenberg noch einmal den Aufruf zur Impfung, wie auch zu einem gemeinsamen Einwirken auf jenen Personen, die bei dieser Maßnahme noch zögern würden.

Was die Corona-Lage in Europa insgesamt betrifft - sie ist ein Schwerpunkte des Gipfels - so herrsche hier ein heterogenes Bild: "Einige Staaten können die Maßnahmen bereits wieder aufheben", sagte Schallenberg in Anspielung auf Dänemark. Indes steht Lettland heute vor einem erneuten Lockdown, und erschreckende Zahlen werden im Gegensatz dazu aus Rumänien vermeldet. Was das Treffen mit den Landeshauptleuten und dem Gesundheitsminister betrifft, da werde man "übers Wochenende klare Entscheidungen treffen", es sei "nichts ausgeschlossen".

In puncto Außenpolitik stellte der Kanzler Polen im Streit um die Rechtsstaatlichkeit die Rute ins Fenster: "Polen muss die finanzielle Drohkulisse, die da ist, sehr ernst nehmen", sagte er. "Es kann kein Werte-Rosinen-Picken geben", fügte Schallenberg hinzu.

"Die Grundwerte der Europäischen Union sind unverhandelbar", betonte Schallenberg, dies sei die Grundtonalität der Debatte. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts sei "ein Bauprinzip des Binnenmarktes". Dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki attestierte Schallenberg eine "kognitive Dissonanz", da dieser zuerst den Vorrang von EU-Recht anerkannt und dann bestritten habe.

Hintergrund des Streits ist ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, welches den Vorrang von EU-Recht infrage stellt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will solange die milliardenschweren Hilfen für Warschau aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zurückhalten, bis Polen Teile seiner Justizreformen wieder rückgängig macht.

Offiziell steht der Konflikt mit Polen nicht auf der Tagesordnung, Ratspräsident Charles Michel hat aber in seinem Einladungsbrief angekündigt, auch das Thema Rechtsstaatlichkeit diskutieren zu wollen. "Es kommt schon auch auf die Tonalität an", sagte Schallenberg, dies habe auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim vorangehenden Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) betont. Es müsse ein Dialog auf Augenhöhe stattfinden.

Für Merkel dürfte es der letzte EU-Gipfel nach 16-jähriger Amtszeit werden. "Ein Ruhepol der europäischen Politik, der von der Bühne tritt", würdigte Schallenberg die scheidende deutsche Kanzlerin.

Zur Diskussion über die steigenden Energiepreise mahnte Schallenberg neuerlich, die EU-Staaten sollten einen "kühlen Kopf" bewahren und "nicht vorschnell in die Energiemärkte eingreifen". Man müsse aufpassen, dass Energie nicht zum Luxusgut werde. Allerdings stehe Österreich im Vergleich gut da. Schallenberg warnte davor, im Zuge der Debatte das EU-Klimaschutzpaket "Green Deal" infrage zu stellen. Auch dürfe "Atomenergie nicht salonfähig durch die Hintertür werden". Er scheue diese Debatte nicht, sagte der Kanzler.

Zum Thema Migration mahnte Schallenberg mehr finanzielle Unterstützung der EU für Frontstaaten an der EU-Außengrenze ein. Aktionspläne mit Transitländern müssten schnell umgesetzt werden, bei Rückübernahmen illegal Einreisender müsse die EU "einen Gang zulegen". Wenn Litauen einen Grenzzaun bauen wolle, sollte es die Solidarität der anderen EU-Mitgliedstaaten haben.

Schallenberg nahm unmittelbar vor dem Gipfel am Treffen der EVP-Staats- und Regierungschefs teil. Anschließend wollte der Kanzler noch den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte vor dem Gipfel zu einem bilateralen Austausch treffen. Weitere Treffen Schallennbergs am Rande des Gipfels waren mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und der finnischen Premierministerin Sanna Marin vorgesehen.

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