RH sorgt sich um Gesundheitskasse und will Entmachtung von Ärztekammern

Ein Stethoskop liegt auf einem geöffneten Notizbuch, während eine Person im Hintergrund schreibt.
Nachhaltige Finanzierung der Gesundheitskasse soll sichergestellt, Privatmedizin zurückgedrängt werden.

Der Rechnungshof (RH) hat am Freitag jenen Bericht vorgelegt, der wegen der Empfehlung zur Entmachtung der Landesärztekammern schon in der Rohversion im Sommer für Aufsehen gesorgt hatte. Auch im nunmehrigen Endbericht ist dies enthalten, um den Abschluss eines österreichweiten Gesamtvertrags zwischen Kasse und Ärzten zu erleichtern. Gefordert wird zudem eine nachhaltige Finanzierung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), und zwar auch durch Selbstbehalte.

Der RH kritisiert, dass ein moderner, bundeseinheitlicher Gesamtvertrag zwischen ÖGK und der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) seit 2019 nicht erreicht wurde. Dieser wäre jedoch im Sinne der Leistungsgerechtigkeit, Systemakzeptanz und Steuerung wichtig, meinen die Prüfer. Gleichzeitig sei von 2019 bis 2023 die Zahl der besetzten Planstellen bezogen auf die Bevölkerung in der Allgemeinmedizin um 5,1 Prozent zurückgegangen. Bereits im Zeitraum 2009 bis 2019 war hier ein Rückgang von 10,2 Prozent zu verzeichnen.

Gesetzgeber soll eingreifen

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, so die Kritik des RH in einer Pressemitteilung, erschwerten eine Verhandlungslösung, weil die Zustimmung nicht nur der Österreichischen Ärztekammer, sondern jeder Landesärztekammer notwendig sei. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Gesundheitsministerium, eine Regierungsvorlage zur Änderung der Rahmenbedingungen für den gesetzlich vorgesehenen einheitlichen Gesamtvertrag vorzubereiten, etwa mit einem Entfall der Zustimmung der einzelnen Landesärztekammern.

Den Prüfern geht es vor allem um die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten durch kassenfinanzierte Sachleistungen. Hier bestehe "umfassender Handlungsbedarf", so der RH, denn die ÖGK-Versicherten wendeten bereits erhebliche private Mittel für Wahlärztinnen und Wahlärzte auf. Im Jahr 2020 seien bei der ÖGK Wahlarzt-Rechnungen in der Höhe von 369,04 Mio. Euro eingereicht worden, bis 2023 war der Betrag auf 551,45 Mio. Euro gestiegen. Erstattet wurden im Jahr 2023 208,85 Millionen Euro, 16 Prozent der Aufwendungen für den niedergelassenen Bereich.

Warnung vor immer mehr Wahlärzten

Aus Sicht des Rechnungshofes besteht ohne Gegenmaßnahmen das Risiko, dass der Wahlarztbereich weiter steigt und Lücken in der Sachleistungsversorgung entstehen könnten. Er hält es nicht für zweckmäßig, Selbstbehalte mit Verweis auf soziale Überlegungen zu vermeiden, aber gleichzeitig das Entstehen von Lücken in der Sachleistungsversorgung in Kauf zu nehmen. Stattdessen wären private Zahlungen von Patientinnen und Patienten in das Versorgungssystem nach finanziellen, administrativen, versorgungspolitischen und sozialen Kriterien optimal zu gestalten.

Generell stünden die finanziellen Rahmenbedingungen der ÖGK im Spannungsfeld zum Ziel, die Leistung im ambulanten Bereich auszubauen. "Bisher konnten weder die Versorgungsziele des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) für die Versicherten eingehalten noch ausgeglichene Finanzen erreicht werden", so das ernüchterte Fazit des RH zu der Prüfung, die die Jahre 2018 bis 2023 umfasst. Die finanzielle Lage der ÖGK habe sich in diesem Zeitraum deutlich verschlechtert, mit einer von der Kasse selbst bis 2029 erwarteten "weiteren drastischen Verschlechterung".

Finanzierung der ÖGK sicherstellen

Eine nachhaltige Finanzierung müsse sichergestellt werden. Angesichts der Herausforderungen in Versorgung und Finanzierung sei die zeitnahe Neuregelung der Zahlungsströme für den spitalsambulanten und niedergelassenen Bereich nach dem Prinzip "Geld folgt Leistung" unabdingbar. "Damit sollen die verfügbaren Finanzressourcen optimiert und unzweckmäßige Leistungsverschiebungen vermieden werden", pochte der RH auf die Verflechtung der Gebarung der ÖGK mit jener des Bundes, der Länder und der übrigen Sozialversicherungsträger.

Sorgenvoll blickt der RH auch auf die gesundheitsökonomischen und -politischen Eckdaten: Österreichs Gesundheitssystem wurde im Zeitraum 2018 bis 2023 erneut teurer, mit Gesundheitsausgaben in der Höhe von 4.663 Euro pro Person rangiert es im EU-Schnitt auf Platz zwei. Zugleich sank die Lebenserwartung: 2023 lag sie hierzulande nur mehr 0,1 Jahre über dem EU-Schnitt, während es 2018 noch 0,8 Jahre waren. Auch die Entwicklung der vermeidbaren Sterblichkeit sei im internationalen Vergleich ungünstiger. In vergleichbaren EU-Staaten gelinge es zudem dank einer entsprechenden Versorgung im ambulanten Bereich öfter, Spitalsaufnahmen - etwa aufgrund von Diabetes oder Bluthochdruck - zu vermeiden.

Aufrufe zu Reformen

RH-Präsidentin Margit Kraker betonte in einem Podcast des Rechnungshofs, man werde zu einem Gesamtvertrag nur dann kommen "wenn man faktenbasiert handelt und wenn man gegenseitige Ressentiments hintanstellt". Bei der ÖGK ortete sie in finanzieller Hinsicht "echten Handlungsbedarf".

Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) wiederum sah in einer Aussendung den strukturellen Reformbedarf bestätigt. Das empfohlene Zurückdrängen der Ärztekammern lehnte sie ab: "Einem Partner im Gesundheitswesen medial auszurichten, diesen per Gesetz zu entmachten, ist respektlos und nicht mein Stil." Auch Selbstbehalten erteilte sie eine Absage. Man wolle "nicht die medizinische Versorgung für alle verteuern, sondern den privaten Sektor zurückdrängen".

NEOS-Generalsekretär und Rechnungshofsprecher Douglas Hoyos erklärte, es sei "höchst an der Zeit, dass wir den Finanzierungsdschungel und das Kompetenz-Wirrwarr beenden und mit einer Finanzierung aus einer Hand sicherstellen, dass Bund, Länder, Sozialversicherungsträger und Ärztekammer gut, kostengünstiger und effizienter zusammenarbeiten". Das österreichische Gesundheitssystem sei "zwar sehr, sehr teuer, aber extrem ineffizient".

Kritik an der Bundesregierung kam von den Grünen. "Österreich braucht dringend eine Stärkung des ambulanten Bereichs, verbindliche Wartezeiten-Transparenz und einen modernen, bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag der ÖGK. Doch anstatt diese strukturellen Herausforderungen anzugehen, hat die Bundesregierung gestern mit der Schaffung dreier Gesundheitsreformfonds exakt das Gegenteil beschlossen und den Status quo weiter einzementiert", meinte der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner.

Peter McDonald, der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, sah mit dem Bericht Herausforderungen aufgezeigt, die auch aus Sicht der Sozialversicherung angegangen werden müssten, um als Gesundheitssystem zukunftsfit zu bleiben. Er unterstütze vor allem die Forderung nach einer Neuregelung der Finanzierungsströme im Spitals- und niedergelassenen Bereich und eine damit einhergehende Entflechtung der Bundesverfassung das Thema Gesundheit betreffend, hieß es.

Kommentare