Drohungen der Ärzte sorgen für Verwunderung
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) ist eigenen Angaben zufolge "nicht beunruhigt" über die jüngsten Drohungen der Ärztekammer. Sie zeigte sich am Dienstag vor dem Ministerrat allerdings etwas verwundert, dass die Ärzte bereits Vertragskündigungen aus Protest gegen die geplante Primärversorgung ankündigen, bevor überhaupt noch ein Gesetz auf dem Tisch liege.
Bisher gibt es lediglich eine Punktation, der Gesetzesentwurf soll laut Ministerin in den nächsten Wochen folgen. Die Ärztekammer habe man wunschgemäß "ganz frühzeitig eingebunden", betonte sie. Oberhauser hofft auf Verhandlungen, sobald der Gesetzestext vorliegt, sie sei sich aber bewusst, dass diese hart werden.
"Alles ist verhandelbar"
Inhaltlich betonte sie: "Alles ist verhandelbar." Was den zentralen Punkt der Einzelverträge betreffe, hielt sie fest: Diese Möglichkeit solle ins Gesetz, um der "sehr differenzierten" Vertragssituation Rechnung zu tragen, die durch die Einrichtung unterschiedlicher Gesundheitszentrum zu erwarten sei. Gesamtverträge, auch für Primary Health Care, werde es aber weiter geben.
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Und die Hausärzte würden von den geplanten Neuerungen überhaupt nicht tangiert, versteht sie die Aufregung nicht: Es gehe darum, zusätzliche Angebote zu schaffen. Man könne es den Vertragspartnern - also den Sozialversicherungen - aber auch nicht verdenken, wenn sie lieber mit Trägern solcher Einrichtungen direkt als mit der Kammer verhandeln würden, so ein kleiner Seitenhieb Oberhausers auf die Ärztevertretung.
Ziel ist laut Oberhauser eine Einigung bis Jahresende.
Auch Hauptverband ist verwundert
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat sich am Dienstag über die "Drohgebärden der Ärztekammer" rund um die geplanten Primärversorgungszentren verwundert gezeigt. Die Verhandlungen über das "Primary Health Care"-Gesetz hätten noch nicht einmal begonnen, betonte ein Sprecher gegenüber der APA. Für die Patienten bestehe vorerst kein Anlass zur Sorge.
Sollten die Ärzte - wie Montagabend angedroht - die Lage tatsächlich eskalieren lassen und die Landesärztekammern alle Gesamtverträge mit den Gebietskrankenkassen kündigen, käme es frühestens in einem Jahr zu einem vertragslosen Zustand, hieß es im Hauptverband. Möglich sei dies nämlich erst zu Jahresende. Dann beginne ein mehrmonatiger Fristenlauf inklusive Einschaltung der Bundesschiedskommission. Dass die Patienten ihren Arzt bar bezahlen müssen, könnte daher frühestens im September 2016 eintreten.
Der Sprecher wies darauf hin, dass man mit den Primärversorgungszentren eine neue ambulante Versorgungsebene schaffen wolle. Es gehe um die bestmögliche Lösung für die Versicherten, und involviert seien dabei nicht nur die Ärzte, sondern auch viele andere Berufsgruppen. Daher könne die Ärztekammer hier auch nicht einen Alleinvertretungsanspruch stellen.
NÖGKK über Ärztekammer erbost
Geharnischte Kritik an der Ärztekammer kam aus der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Die "reflexartige Blockadehaltung" der Bundeskurie der Ärztekammer sei unverständlich und habe in ihrer nunmehrigen Form eine neue skandalöse Dimension erreicht, meinte Obmann Gerhard Hutter in einer Aussendung. "Diese Drohung richtet sich gegen 8,5 Millionen Versicherte und tausende Vertragsärzte, deren Existenz durch eine Vertragskündigung bedroht ist. Die gesundheitspolitischen Verantwortungsträger dürfen und können sich so eine Vorgangsweise nicht gefallen lassen."
Der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner verteidigte die Haltung der Standesvertretung. "Wir wünschen uns keine Vertragskündigung, wir betreiben sie nicht, aber wir werden diesen Schritt tun, wenn er unausweichlich ist", erklärte er in einer Pressemitteilung. Dies wäre der Fall, "wenn ein 'Primary Health Care'-Gesetz beschlossen wird, das die medizinische Grundversorgung, die bisher vor allem Hausärztinnen und Hausärzten vorbehalten ist, für internationale Billiganbieter und staatlich kontrollierte Versorgungsbetriebe geöffnet wird".
FPÖ und Team Stronach auf Seite der Ärztekammer
Auf die Seite der Ärztekammer haben sich heute die FPÖ und das Team Stronach geschlagen. "Mit dem bereits seit langem absehbaren Murks der 'Primary Health Care'-Zentren treibt die SPÖ offensichtlich ihr Konzept einer Gefährdung der österreichischen Gesundheitsversorgung neuerlich weiter", meinte FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein. "Weder Patienten noch Ärzte wollen ein Gesundheitssystem wie in der ehemaligen DDR, wo man in einem anonymen Gesundheitszentrum nur mehr eine Nummer ist und es keinerlei Vertrauensverhältnis mehr zwischen Patienten und den behandelnden Ärzten gibt."
Team-Stronach-Gesundheitssprecherin Ulla Weigerstorfer befand, die Verantwortlichen im Gesundheitssystem sollten endlich die niedergelassenen Ärzte stärken statt Primärversorgungseinrichtungen zu schaffen. "Die Menschen brauchen den vertrauensvollen Hausarzt gleich ums Eck, da ist die Grundversorgung sicherzustellen."
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