Wolfgang Schüssel hält nichts von "Brandmauern" und "Ausschließeritis"

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Der Altkanzler über seine positive Zukunftsperspektive für Österreich, ob man mit Putin normal reden kann, was er von Brandmauern und Kickl hält und ob ihm Grasser leidtut.

Wolfgang Schüssel ist genauso alt wie die Zweite Republik.

KURIER: Angeblich sind wir ein „Volk, begnadet für das Schöne“. Aber sind wir auch „zukunftsreich“, wie die Bundeshymne behauptet? Bei Wirtschaftsfaktoren schneidet Österreich schlecht ab.

Wolfgang Schüssel: Das ist eine Momentaufnahme. Der Blick auf die gesamte Zweite Republik macht sehr zuversichtlich. 1950 wurde die Wirtschaftsleistung mit fünf Milliarden Euro beziffert. heute beträgt sie über 500 Milliarden. Die Lebenserwartung betrug im Durchschnitt 48 Jahre, heute 80. Wir hatten damals zwei Millionen Arbeitsplätze, heute sind es 4,5 Millionen. In allen Bereichen – Bildung, Lebensqualität, Wohnraum – ist die Situation besser geworden. Da darf man sich nicht von den Pessimisten anstecken lassen.

Aber es gab damals eben eine Aufstiegsperspektive, während man jetzt den Eindruck hat, der ganze Kontinent befinde sich am Abstieg.

Das stimmt nicht. Europa ist nach wie vor einer der großen Wirtschaftsplayer der Welt, gemeinsam mit den USA und China. Es ist ja gut, wenn auch andere aufholen, denn letztlich haben uns Wettbewerb und Globalisierung stärker gemacht.

Das ist nun in Gefahr.

Es gab immer schon Konflikte sowie Drohungen, die sogar zu einem nuklearen Wettrüsten geführt haben. Wir haben auch in Europa schon Kriege gehabt, etwa die Jugoslawienkrise. Also, gefährlich war es immer. Wichtig ist: Wir sind nicht mehr allein. Als Hitler Österreich überfiel, hat nur Mexiko protestiert. Heute sind wir Teil der Europäischen Union.

Wobei wir mit unserer Neutralität immer nur Trittbrettfahrer waren.

Eigentlich war der ganze europäische Teil in der NATO seit 1989 Trittbrettfahrer. Wir haben in 30 Jahren eine Friedensdividende von 2.000 Milliarden Euro gehabt.

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