Othmar Karas über den "Agressor" Russland und Europas Möglichkeiten
Im Ukraine-Konflikt sind nach Worten des Ersten Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), alle Sanktionsmöglichkeiten gegen Moskau am Tisch, auch die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream. Es sei „keine Sanktion ad acta gelegt“. „Europa darf der Drohgebärde Russlands nicht zusehen“, sagte Karas Sonntag in der ORF-Pressestunde. Russland sei „ein Aggressor“, der Recht und Verträge breche. „Wenn es zu einem Einmarsch kommt, muss es zu weiteren Sanktionen kommen.“
Die EU habe einen „ganzen Instrumentenkasten“ , darunter das internationale Zahlungssystem Swift, Einreiseverbote, den Finanzsektor, Unternehmen und Oligarchen. Auch Nord Stream 2 sei am Wochenende in die Debatte gekommen. Die Pipeline, die russisches Gas nach Europa bringen soll und von der OMV mitfinanziert wird, „war immer Teil der Drohgebärde für das Europäische Parlament“, so der Erste Vizepräsident. Sie sei nahezu fertig, aber aus rechtlichen Gründen noch nicht in Betrieb gegangen, so fehlten noch Genehmigungen.
Die Androhung von Sanktionen gegenüber Moskau sei notwendig, weil Russland Recht verletzte und Verträge breche, sagte Karas. Europa werde immer das Gespräch suchen und „nie im Sinn von Aug um Aug und Zahn um Zahn militärisch antworten“, sondern auf dem Boden von Recht und Werten. Zugleich verwies Karas aber auch auf militärische Sicherungsmaßnahmen, die etwa Großbritannien durch Truppenverstärkungen in Osteuropa vornehme.
„Die militärische Frage ist eine, und hier ist Europa schwach.“
Karas hofft auf eine Vertragsänderung im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, ansonsten sei die EU nicht glaubwürdig. „Hier muss die Einstimmigkeit fallen“, verlangte Karas ein Ende bestehender Vetomöglichkeiten einzelner Mitgliedsstaaten.
"Europa muss an den Verhandlungstisch"
Der Erste Vizepräsident des Europaparlaments forderte auch eine Einbindung der Europäischen Union in die laufenden Gespräche mit Russland. „Russland lässt Europa am Tisch ja gar nicht zu“, so Karas. In der Ukraine, aber auch in Serbien, Ungarn und Polen wolle Russland Europa destabilisieren. „Europa muss an den Tisch.“ Ziel müsse es sein, dass „der Aggressor“ Russland seinen Weg nicht fortsetze und nicht in der Ukraine einmarschiere und die Unabhängigkeit und Freiheit von Staaten bedrohe.
Karas sagte, er habe seit der Krim-Annexion von 2014 die Angst, dass Russlands Präsident Wladimir Putin „das Rad der Geschichte zurückdreht, ... seit dem Einmarsch auf der Krim hat sich der Kurs von Putin geändert.“
Dass Österreich die Sanktionen der EU mittrage, davon geht Karas aus. Jede Reaktion der EU gegenüber Russland sei bisher auch mit Österreich einstimmig beschlossen worden. Dass Putin in Österreich auf viel Verständnis von Politikern und Wirtschaftsvertretern stoße, hängt nach Ansicht von Karas mit der historischen Situation, der geopolitischen Lage, der Energieabhängigkeit und den wirtschaftlichen Verflechtungen Österreichs zusammen. Aber „wir können das Einzelinteresse nicht in den Mittelpunkt stellen, wenn es um die Unabhängigkeit von Staaten geht“, so Karas.
Neutralität Österreichs sei kein Widerspruch
Die Neutralität sieht Karas nicht im Widerspruch zur EU-Politik gegenüber Russland, „das ist die österreichische Mär“. Österreich habe nach dem EU-Beitritt seine Verfassung geändert und sei innerhalb der Europäischen Union solidarisch.
Die FPÖ lehnte umgehend einen Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik ab. „Die Einstimmigkeit in solch essenziellen Fragen abzuschaffen könnte insbesondere für kleinere Länder wie Österreich dazu führen, in militärische Abenteuer hineingezogen zu werden. Auch mit der in Österreich verfassungsrechtlich verankerten Neutralität wäre das sicher nicht zu vereinbaren“, sagte der freiheitliche Delegationsleiter Harald Vilimsky.
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