Bildungsminister auf Fachkräfte-Suche – in Albanien

Derzeit fehlen in Österreich rund 24.000 IT-Fachkräfte, in den nächsten fünf Jahren werden es sogar schon 30.000 sein. „So bleibt viel unausgeschöpftes Potenzial liegen, das Tempo der Digitalisierung wird gebremst“, betont Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer und dort für Bildungspolitik zuständig. Sie ist Teil einer bemerkenswert großen Delegation aus WKÖ- und IV-Experten sowie zahlreichen Vertretern von Wirtschaftskonzernen, die Bildungsminister Martin Polaschek soeben in Albanien absolviert hat. Dabei ging es nicht nur um Bildung – sondern auch um Arbeitskräfte.
Shkodra ist die fünfgrößte Stadt Albaniens mit knapp über 100.000 Einwohnern. Obwohl nur rund 80 Kilometern von der Hauptstadt Tirana entfernt, dauert die Autoreise über wackelige, zweispurige Fahrbahnen mehr als zwei Stunden – eines der vielen Probleme, die das kleine Land am Balkan hat. Denn Albanien leidet noch immer an den Folgen der jahrzehntelangen Diktatur unter dem absolutistisch-stalinistischen Diktator Enver Hoxha (1908-1985), der das Land über Jahrzehnte isolierte und Tausende Gegner brutal töten ließ. Nach schweren Krisen in den 1990er-Jahren steckt das Land heute noch mitten in einem Transformationsprozess von der ehemals sozialistischen Planwirtschaft in eine moderne, offene Marktwirtschaft. Seit 2013 lenkt der Sozialist Edi Rama als Premier die Geschicke des Landes. Er ist der Erste, der zwei Mal wiedergewählt wurde – und der das Land, wenn auch langsam, stabilisiert.
In Shkodra aber war am Freitag Feierstimmung: Polaschek und die Delegation aus Österreich kamen zum 15-jährigen Jubiläum der IT-HTL „Peter Mahringer“, einer österreichischen Auslandsschule, die rund 500 Schülern nicht nur Deutsch beibringt, sondern sie in Sachen Netzwerktechnik, Systemtechnik, Web-Development und Verschlüsselung ausbildet.
Und das offensichtlich mit großem Erfolg, was wiederum die Delegation aus Wirtschaftsvertretern erklärt: Infineon, Doppelmayr, Lufthansa Industries, Cisco Network Academy sind nur einige der Firmen, die die Schule unterstützen und besonders fähige Absolventen mitunter sofort abwerben. „Eigentlich wollten zuerst nur meine Eltern, dass ich diese Schule besuche“, erzählt Edra Meti, eine knapp 20-jährige Absolventin. „Heute kann ich mich bei ihnen nur bedanken. Die Ausbildung hat mir zahlreiche Türen in den Arbeitsmarkt geöffnet“, erzählt die junge Frau in makellosem Deutsch. Sie arbeitet für die Wiener Software-Firma Motrada, die in Shkodra eine Niederlassung betreibt.
Bemerkenswert ist, dass rund 35 bis 40 Prozent der Absolventen der IT-HTL weiblich sind. „Zum Vergleich ist der Anteil an Frauen in Österreichs HTL gerade einmal bei drei bis vier Prozent“, erzählt Schuldirektor Thomas Douschan nicht ohne Stolz. Er führt ein Team aus 23 österreichischen und 24 albanischen Pädagogen. Denn die IT-HTL Shkodra ist eine von nur acht Auslandsschulen des Bildungsministeriums (die anderen sind in Budapest (2), Prag, Istanbul, Guatemala City, Mexiko City und Liechtenstein). Österreich übernimmt den Großteil der Personalkosten, die Direktoren kümmern sich vor Ort um Sponsoren und Stipendien.
In Douschans Schule in Shkodra kostet das Schulgeld rund 1000 Euro pro Jahr – viel Geld, wenn man bedenkt, dass der Durchschnittslohn in Albanien weniger als 400 Euro beträgt. „80 Prozent unserer Absolventen führen ihre Ausbildung im Ausland fort, oder sie finden gleich einen Job, das vor allem in Österreich“, erzählt Direktor Douschan.
Neue Standorte
Minister Polaschek zeigt die Schule, dass das System funktioniert. Er will verstärkt eine „arbeitsmarktrelevante Ausbildung in Auslandsschulen“ anbieten. Dazu werden weltweit neue Standorte geprüft, nicht nur am Balkan, sondern auch am Kaukasus.
Das freut wiederum die Wirtschaftsvertreter. „Der Fachkräftemangel ist ein brennendes Problem – in ganz Europa“, sagt Kühnel. Da sei vor allem eine praxisnahe Berufsausbildung für Fachkräfte zentral. „Dass es nun zu einer Neuausrichtung und Erweiterung der Schulen sowie einer Prüfung neuer Standorte kommen wird, ist sehr positiv zu werten.“
Kommentare