Doch im November 1990 erklärte die österreichische Bundesregierung in der Wiener Zeitung, dass die Bestimmungen der Artikel 12 bis 16 des Staatsvertrags – einschließlich des Spezialwaffenverbots – als obsolet anzusehen seien. Diese Mitteilung wurde den vier Signatarstaaten des Staatsvertrags übermittelt.
Da keine Einwände erhoben wurden, konnte dies als stillschweigende Zustimmung gewertet werden.
Dies bestätigte das Außenministerium schriftlich gegenüber dem KURIER.
Der jugoslawische Weckruf
Die Erklärung damals kam nicht zufällig. Während des Slowenien-Krieges verletzten jugoslawische Militärflugzeuge wiederholt den österreichischen Luftraum. Das Bundesheer, dessen Luftabwehr ausschließlich auf Rohrwaffen basierte, war diesen Bedrohungen kaum gewachsen.
Dieser Vorfall machte deutlich, dass die bestehende Verteidigungsstrategie unzureichend war. Die Notwendigkeit moderner Luftabwehrsysteme wurde offensichtlich.
Die stille Aufrüstung
Nach der Obsoleterklärung begann Österreich mit der Beschaffung moderner Luftabwehrsysteme. 1995 wurden 72 Werfer für Mistral-Kurzstreckenraketen angeschafft, und die Draken-Jagdflugzeuge des Bundesheeres wurden mit Sidewinder-Raketen ausgerüstet.
Zur Erklärung: Die Mistral ist ein tragbares Luftabwehrsystem, mit einem drei Kilo schweren Splittergefechtskopf, der 2,7 Mach (3.300 km/h) schell und bis zu sieben Kilometer weit fliegt. Sidewinder sind wärmesuchende Kurzstrecken-Luft-Luft-Raketen, die in vielen westlichen Kampfflugzeugen integriert sind, und mit Mach 2,5 etwa 18 Kilometer weit fliegen können.
Diese Waffen-Systeme, die zuvor durch den Staatsvertrag verboten waren, wurden nun Teil des österreichischen Arsenals.
Völkerrechtlich gedeckt – politisch kaum diskutiert
Die Obsoleterklärung von 1990 wurde von den Signatarstaaten nicht beanstandet. Das Außenministerium bestätigt, dass die Einführung moderner Luftabwehrsysteme, einschließlich gelenkter Raketen, demnach im Einklang mit der aktuellen völkerrechtlichen Lage steht.
Trotz der Bedeutung dieser Änderung wurde sie in der österreichischen Öffentlichkeit kaum diskutiert. Die Entscheidung, zentrale Bestimmungen des Staatsvertrags für obsolet zu erklären, erfolgte damals ohne breite politische Debatte.
Österreich ermögliche also durch die Obsoleterklärung von 1990 die Modernisierung der Verteidigungspolitik, insbesondere im Bereich der Luftabwehr.
Die Geschichte zeigt auch, wie sich sicherheitspolitische Notwendigkeiten und völkerrechtliche Verpflichtungen im Spannungsfeld befinden können – und wie politische Entscheidungen oft im Stillen getroffen werden.
Funfact: Absatz 2 des Artikel 13 sagt: „Die Alliierten und Assoziierten Mächte behalten sich das Recht vor, zu diesem Artikel Verbote von irgendwelchen Waffen hinzuzufügen, die als Ergebnis wissenschaftlichen Fortschritts entwickelt werden könnten.“
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