UN-Beauftragte kritisiert: Österreich sieht bei seinem Rassismus-Problem weg

Muslimische Frauen tragen Kopftuch
In Österreich gebe es "tief verwurzelte Rassenhierarchien", konstatiert eine Berichterstatterin der UNO und sorgt sich auch angesichts des kommenden Kopftuchverbotes für Unter-14-Jährige.

Gesetzliche Schutzmaßnahmen gegen Diskriminierung gebe es, gesteht Ashwini K.P. Österreich zu - doch  die Sonderberichterstatterin des UNO-Menschenrechtsrates hat nach einem Besuch in Österreich auch kräftige Kritik anzubringen: Vor allem herrsche mangelndes Problembewusstsein in Sachen Rassismus. „Es gibt einen weit verbreiteten Widerwillen, die Existenz von Rassismus in vollem Ausmaß anzuerkennen“, sagte die indische Politikwissenschafterin Ashwini K. P. der APA in der Wiener UNO-City. 

Dazu zählt die Politikwissenschafterin, wie aus ihrem ersten, vorläufigen Bericht  hervorgeht: Eine einheitliche Definition von Rassendiskriminierung gebe es nicht, ebenso kritisiert sie den Mangel an Daten und die zu geringe Vertretung verschiedener ethnischer Gruppen in den Gremien der Länder und der Regierung.

Klar positioniert sie sich gegen das geplante Kopftuchverbot für Mädchen. Es werde Vorurteile verstärken. Sie sehe „keine wesentlichen Belege“ dafür, dass es das Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren brauche, so Ashwini.

Sie hatte darüber mit Angehörigen der muslimischen Gemeinschaft gesprochen und festgestellt, dass die Maßnahme die bestehenden islamophobischen Einstellungen, Vorurteile und Stereotypen verstärken werde. „Ich habe das starke Gefühl, dass dies im Widerspruch zur Religionsfreiheit und der Freiheit der Kultur steht.“

Religiöse Schulen

Befürworter wie in der Regierung begründen das Kopftuchverbot mit dem Schutz der Selbstbestimmung heranwachsender Frauen. Darauf in einer Pressekonferenz in Wien angesprochen sagte Ashwini, dass eine Umsetzung der Maßnahme die Bildungschancen von Mädchen gefährden könnte. Sie könnten so in religiöse Schulen gedrängt werden. 

Darauf kontert wiederum eine Sprecherin von Ministerin Claudia Plakolm auf Anfrage des KURIER: Das Argument der UN-Sonderberichterstatterin greife nicht - zumal das geplante Kopftuchverbot für alle Schulen in Österreich gelten werde - also auch für die religiösen Bildungsstätten.

Ashwini ist seit drei Jahren UNO-Sonderberichterstatterin über Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz. Sie kam Anfang Dezember für eine Woche nach Österreich und traf in Wien, Graz und Salzburg mit Regierungs- und Behördenvertretern, NGOs und Betroffenen zusammen.

Ihren detaillierten Länderbericht zu Österreich will sie im Juli dem UNO-Menschenrechtsrat vorlegen. Die Universitätsprofessorin hat selbst oft Diskriminierung erlebt,  ihre Familie gehört der niedrigsten indischen Kaste, den Unberührbaren, an. 

„Österreich hat sinnvolle Schritte ergriffen, um es mit der Diskriminierung aufzunehmen, aber es ist noch viel mehr zu tun“, sagte Ashwini. Sie kritisierte insbesondere die zersplitterten Kompetenzen zwischen Ländern und Bund, die Lücken und unterschiedliche Schutzniveaus zur Folge haben. Sie will Österreich empfehlen, „einen umfassenden nationalen Plan im Kampf gegen Diskriminierung zu beschließen“. 

Besonders stark ausgeprägt sieht sie den Rassismus in Österreich gegenüber Schwarzen.

Sie seien Opfer von Racial Profiling (Personenkontrollen durch die Polizei nur auf Basis der Hautfarbe), würden im Bildungs- als auch im Gesundheitssystem benachteiligt und hätten einen schwierigeren Zugang zum Wohnungsmarkt, so Ashwini.  "Zu den mir geschilderten Erscheinungsformen von Rassismus und Rassendiskriminierung gehören anhaltende Ausgrenzung, Feindseligkeit, Mikroaggressionen und demütigendes Verhalten im Alltag, darunter auch die Wahrnehmung als ,Nicht-Österreicher', selbst wenn die Betroffenen in Österreich geboren sind,", schreibt Ashwini.

Sie hege auch „Besorgnis erregende Berichte und Schilderungen“ über die Diskriminierung von Roma und Sinti erhalten. „Zutiefst besorgt“ sei sie auch über die Zunahme von antisemitischen Vorfällen. Doch sie konstatierte auch Fälle von „antipalästinensischem Rassismus“, unter anderem durch eine feindselige Darstellung in Medien. 

Ashwini äußerte zudem Sorge über „den Aufschwung von rechtsgerichtetem Populismus und von Neonazi-Gruppen“ in Österreich. Dies habe sie etwa auch bei ihrem Besuch in Graz gemerkt, sagte sie.

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