Ökostrom: Rekordausbau ist viel zu wenig

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Weltweite Energiewende. 2024 wurden 620 Milliarden in erneuerbare Energien investiert. Nötig wäre die doppelte Summe. Fossile Förderungen summieren sich auf über 900 Milliarden Euro – und verzerren den Energiemarkt.

Eigentlich sind es sehr gute Nachrichten: 2024 wurden weltweit erneut Rekordsummen in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert, vor allem in Photovoltaik, aber auch in Wind- und Wasserkraft. Staaten und Unternehmen gaben dafür umgerechnet rund 620 Milliarden Euro aus, was zu einem Zuwachs von 740 Gigawatt grüner Kapazität führte. (Zum Vergleich: Österreich verfügt über 28 Gigawatt.)

Den Löwenanteil am Ausbau stemmt China mit rund 60 Prozent Anteil am weltweiten Zuwachs. Die Europäer liegen mit 12 Prozent Anteil deutlich dahinter, Kanada, Mexiko und die USA kommen gemeinsam auf acht Prozent.

Diese Daten hat die Organisation REN21 (Renewable Energy Policy Network for the 21st Century) kürzlich veröffentlicht. REN21-Geschäftsführerin Rana Adib weist im Gespräch mit dem KURIER auf einige globale Besonderheiten hin – etwa darauf, dass 2024 auch die Kohleverstromung weltweit leicht ausgebaut wurde, wenn auch nur noch um 0,9 Prozent (44 GW Kohlekraft gebaut, 25,2 GW stillgelegt). „Auch in China sind mittlerweile fast 90 Prozent der neu hinzugefügten Kraftwerkskapazität erneuerbar – weil es die günstigste Lösung ist“, sagt Adib.

Schon ein Drittel „grün“

Wie die Grafik zeigt, ist nur im Strombereich der weltweite Anteil von Grünstrom von 23 auf 32 Prozent gestiegen.

Grafik Stromerzeugung nach Energiequellen weltweit

Beim Endenergieverbrauch – also der Energie, die tatsächlich bei Haushalten, Fahrzeugen und in der Industrie genutzt wird – sieht es ganz anders aus: Nur sieben Länder weltweit erreichen hier einen Erneuerbaren-Anteil von über 50 Prozent. Und auch das meist nur dank einzelner Großwasserkraftwerke, wie das in Laos, Gabun, Paraguay oder Uruguay der Fall ist.

Grafik Ökostrom-Ausbau weltweit

In Österreich liegt der Anteil der Erneuerbaren beim Endenergieverbrauch bei lediglich rund 30 Prozent, auch wenn Strom schon fast zu 90 Prozent nur mehr aus Erneuerbaren stammt. Gründe sind der hohe Gasverbrauch in der Industrie, der hohe Fossilanteil beim Heizen und ein Verbrenneranteil von etwa 95 Prozent bei Pkw und Lkw.

REN21 konzentriert sich in seinem Bericht vor allem auf die Energiewende beim Strom. Adib weist zwar auf Rekordausbau und -investitionen hin, betont jedoch, dass diese nur etwa die Hälfte dessen ausmacht, was auf der Klimakonferenz 2022 in Dubai vereinbart wurde: nämlich die Verdreifachung der Grünstromkapazität bis 2030. (Genauer: von insgesamt 3.630 GW im Jahr 2022 auf 11.000 GW bis 2030.)

„Dazu kommt, dass sich das Tempo beim Ausbau verlangsamt hat“, sagt Adib. 2022 lag das Wachstum noch bei 23 Prozent, 2023 bei 19 Prozent, 2024 schließlich nur mehr bei acht Prozent.

Sie verweist auf regionale Besonderheiten im Bericht:

  • Fossile Subventionen: Erneuerbare Energien müssen weltweit mit massiven Subventionen für fossile Energien konkurrieren. 2024 wurden Fossile mit rund 900 Milliarden Euro direkt oder indirekt unterstützt – das verzerrt Preise und Märkte. Das Problem besteht auch in Österreich, wo fossile Energien mit etwa fünf Milliarden Euro jährlich gefördert werden. Diese fossilen Förderungen werden von der neuen Regierung nun sogar ausgeweitet.
  • USA: Der Bundesstaat Texas – einer der größten Ölproduzenten – wäre als eigenes Land weltweit auf Platz 5 bei der Windkraft. Großkonzerne wie Amazon, Google, Microsoft und Meta haben Aufträge für 15 GW Grünstrom unterzeichnet. Dennoch stockt der Ausbau, Präsident Trump hasst Klimaschutz.
  • China: China verfolgt beim massiven Ausbau der Erneuerbaren nicht primär Klimaschutz-Ziele, sondern das Ziel Energiesouveränität – Energie im eigenen Land zu produzieren, um teure fossile Energieimporte zu vermeiden. Peking hat vor Jahren eine umfassende Energie-Strategie entwickelt, um dem stark wachsenden Bedarf der Industrie zu begegnen. Auch Umweltgründe spielten eine Rolle: Die gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke ist seit Langem ein Problem.
  • Afrika, Lateinamerika: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afrikas hat keinen Zugang zu Elektrizität. Der Ausbau erneuerbarer Energien verläuft langsam – ein Hauptgrund sind hohe Kreditkosten von 10 bis 30 Prozent für erneuerbare Projekte. Dennoch entstehen in Ländern wie Kenia, Tansania, Südafrika und Nigeria immer mehr lokale Stromnetze auf PV-Basis mit Batteriespeichern. In Nigeria läuft dies inzwischen über staatliche Landwirtschaftsagenturen, wodurch Produkte gekühlt und Felder bewässert werden können – was Erträge, Einkommen und Ernährungssicherheit steigert. Auch im Amazonasgebiet entstehen vermehrt Solar-Mini-Netze, weil tiefes Wasser in der Trockenzeit die Dieselversorgung für Generatoren unmöglich macht.

Trotz Rekord beim Ausbau der Erneuerbaren steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiter – weil fossile Energien noch immer den Großteil des weltweiten Energieverbrauchs decken.

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