Nur bloß nicht in einen U-Ausschuss
Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten: Vielleicht gibt es Orte, an denen dieser allzu schlichte Satz tatsächlich zutrifft – parlamentarische Untersuchungsausschüsse gehören eher nicht dazu.
Denn Privatpersonen haben guten Grund, sich vor Auftritten in einem U-Ausschuss zu fürchten – und das hat nur wenig damit zu tun, was genau sie dort aussagen.
Für Auskunftspersonen, die keine Personen öffentlichen Interesses sind, stellt eine Befragung im U-Ausschuss ein erhebliches Reputationsrisiko dar.
„Für Auskunftspersonen, die keine Personen öffentlichen Interesses sind, stellt eine Befragung im U-Ausschuss ein erhebliches Reputationsrisiko dar“, sagt Alfred Autischer zum KURIER.
Das ist ein ausnehmend ernüchternder Befund. Autischer stützt sich dabei auf Erfahrung – er betreut seit Jahren Menschen und Unternehmen, wenn über deren Rechtsstreitigkeiten in der Öffentlichkeit berichtet wird („Litigation-PR“).
Vor allem aber kann der Agenturchef einen empirischen Nachweis für seine These vorbringen.
Denn im Auftrag von Autischers Unternehmen hat die auf Medienbeobachtung spezialisierte Agentur META Communication die Berichterstattung von sieben U-Ausschüssen in den vergangenen 18 Jahren analysiert. Das Ergebnis der 4.680 untersuchten Artikel lässt sich, vereinfacht gesagt, so zusammenfassen: Auch wenn man keine politische Funktion hat und nachweislich nicht als prominent gelten darf, wird man als Auskunftsperson eines U-Ausschusses mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit namentlich in der Öffentlichkeit genannt (71 Prozent).
Das wäre für sich genommen noch kein Problem, würde das, was man im U-Ausschuss zu Protokoll gibt, auch beachtet. Über das Gesagte, also die tatsächliche Aussage, wird allerdings eher selten, nämlich in 11 von 100 Fällen berichtet.
Integrität
Stattdessen kommt es in der überwiegenden Mehrheit der Fälle (57 Prozent) dazu, dass „persönliche Eigenschaften“ eines Zeugen thematisiert werden, sprich: Es wird über die Integrität einer Person, über die Kooperationsbereitschaft (mit dem Ausschuss, Anm.) und ganz allgemein über die Glaubwürdigkeit berichtet. Und das ist insofern ein Problem, als dies in der Regel – konkret in 53 Prozent der Fälle – mit einer „negativen Tonalität“ passiert.
Politiker müssen das aushalten, das ist Berufsrisiko. Bei Auskunftspersonen wie etwa Beamten ist die Sache anders – sie haben ein Recht auf Privatsphäre. Doch das scheint nicht mehr zu gelten.
„Das Bewusstsein, wie wichtig die Grundrechte für das Funktionieren eines Rechtsstaats sind, ist verloren gegangen“, kritisiert Bettina Knötzl, Wirtschaftsanwältin und Präsidentin der Anti-Korruptions NGO Transparency International in Österreich.
Maßnahmen
Was also tun? Welche Möglichkeiten gibt es, U-Ausschüsse und die Debatte darüber zu versachlichen?
Eine Maßnahme, die auch Vertreter mehrerer Parlamentsparteien längst fordern, ist das Öffentlichmachen von U-Ausschüssen, sprich: eine Live-Übertragung im Internet oder Fernsehen. Für Experte Autischer steht außer Zweifel, dass Journalisten vor Ort schon jetzt einen wichtigen und anstrengenden Job erfüllen. Trotz allem könne es sein, dass „die Transparenz von U-Ausschüssen durch Live-Übertragungen verbessert werden könnte“.
Konkret besteht die Hoffnung, dass sich Umgangston und respektvoller Umgang mit Auskunftspersonen bessern, wenn ständig Wähler zuschauen.
Ein zweiter Vorschlag, um die Persönlichkeitsrechte zu schützen, wäre, das Zitieren aus Anklageschriften so lange strafbar zu machen, so lange diese nicht in einem Prozess öffentlich werden. „Aktenbestandteile sind zu einer Art Handelsware geworden“, sagt Autischer. In Deutschland sei dies anders. „Es geht um die Abwägung zweier hoher Güter: Der Pressefreiheit und der Persönlichkeitsrechte.“
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