Politik mit Knisterpotenzial: Wieso Minister Totschnig jetzt Chips-Sorten aufzählt

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER
Um politische Inhalte an junge Menschen zu vermitteln, greifen immer mehr Politiker zu sozialen Medien – skurrile Auftritte gehören zum Programm.

"Fein g’schmackig, mit einem großen Knisterpotenzial", sagt Norbert Totschnig, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, in einem kürzlich veröffentlichten Video auf Instagram. Im Hintergrund ist eine riesige Chipstüte der Marke Kelly’s zu sehen. Rechts neben dem Politiker steht Markus Marek, Geschäftsführer von Kelly's, und sie wetteifern darum, wer die meisten Chipssorten nennen kann. Das Video zählt überschaubare 6.000 Aufrufe und einige verwunderte Kommentare. Unter anderem fragt ein User, wie viel man einem Minister bezahlen müsste, damit er zum Werbeträger wird.

Der KURIER hat bei Minister Totschnig nachgefragt, wie das Video zu deuten sei. Aus seinem Büro heißt es: "Bundesminister Totschnig besucht selbstverständlich regelmäßig Betriebe in Österreich. Dabei werden im Sinne zeitgemäßer Kommunikation natürlich auch Beiträge für Social Media erstellt." Bezahlt sei er dafür nicht worden.

Aber die Antwort zeigt schon den Paradigmenwechsel. Wurden früher gerne mal Bezirkszeitungen oder lokale Fernseh- oder Radiosender herangezogen, um solche Besuche zu publizieren, werden heutzutage soziale Medien dafür genutzt. Denn mit diesen erreicht man ein junges Publikum – schneller und effizienter.

Das dürfte auch Totschnig nicht entgangen sein, der offenbar versucht, bei der jungen Zielgruppe Pluspunkte zu sammeln. Der Politiker lacht im genannten Video in die Kamera und zählt Salz, Paprika und Knoblauch als Sorten auf – einer, der sich mit Chips offenbar auskennt. 

Was genau mit dem kurzen Video bewirkt werden soll, ist nicht ersichtlich. Aus seinem Büro heißt es, der Minister wollte Betriebe vor den Vorhang holen, die "auf österreichische Agrarrohstoffe setzen oder umweltfreundliche Technologien forcieren".

Fakt ist jedenfalls, dass soziale Netzwerke inzwischen die wichtigste Quelle für politische Themen bei Jugendlichen sind.

Junge nutzen Instagram und TikTok

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass rund 74 Prozent der Befragten in Deutschland zwischen 16 und 26 Jahren angaben, sich vor allem über Instagram und TikTok über Politik zu informieren. Ähnliche Ergebnisse lieferte hierzulande eine Studie des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation aus dem Jahr 2023: 62 Prozent der Jugendlichen verwenden täglich soziale Netzwerke, um sich über tagesaktuelle Themen zu informieren. Besonders YouTube hat laut der Umfrage mit 75 Prozent deutlich an Zuwachs gewonnen. 

Von Pappkronen und Followern

Was einst die Parteizeitungen waren, sind nun eben Social-Media-Accounts der Politiker, auf denen sie sich volksnah präsentieren. Beate Meinl-Reisinger (Neos) joggt ungeschminkt, Leonore Gewessler (Grüne) fährt mit dem Nightjet nach Berlin, und Andreas Babler (SPÖ) zeigt sich beim Gassigehen mit dem Hund. Doch jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten: Politische Kommunikation auf sozialen Plattformen kann auch mal daneben gehen, skurrile Auftritte sind quasi plattformgerecht.

Im Juli 2025 kursierte ein Social-Media-Video des Tiroler FPÖ-Chefs Markus Abwerzger, in dem dieser mit einer Pappkrone eines Fast-Food-Unternehmens auf dem Kopf zu sehen war. Wegen angeblich rassistischer Konnotation sorgte der Clip für heftige Kritik; die Partei reagierte schnell, entfernte das Video und kündigte an, ein besseres Qualitätsmanagement für Social-Media-Inhalte einzuführen.

Trotzdem gilt: Die Strategie scheint aufzugehen. Politiker erreichen mit ihren Social-Media-Auftritten Hunderttausende (Jung)Wähler. FPÖ-Chef Herbert Kickl zählt über 107.000, SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler über 42.000, NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger 56.800 und ÖVP-Kanzler Christian Stocker 23.200 Follower auf Instagram. Auf Facebook, Instagram und TikTok stellt die FPÖ laut Dossier derzeit die erfolgreichste Partei Österreichs dar – sie dominiert sowohl auf Instagram als auch auf Facebook.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hat übrigens über 6.000 Follower. Mit dem aktuellen Video könnte dieser Wert – trotz negativer Kommentare – steigen. 

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