TikTok und Instagram: Warum das Parlament auf Social Media setzt

46-216799483
Der Newsroom im Parlament wurde 2023 neu aufgestellt, seither werden soziale Plattformen wie TikTok mit kreativen Videos bespielt, um Jung- und Erstwähler für Demokratie zu begeistern. Ein Einblick.

„Ist das in Wien?“, fragt ein User auf TikTok. Und erhält prompt die Antwort einer freundlichen Stimme im Off: „Wir dürfen euch heute aus dem österreichischen Parlament begrüßen. Und ja, wir sind in Wien.“

Ein anderer der rund 100 User, die sich gerade live die letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause anschauen, meint, dass der Redner ein „cooler Typ“ sei. Und wieder ein anderer fragt, wer da eigentlich spricht.

Die Stimme im Off gehört Ines Haberl, die auf der Galerie im Plenarsaal sitzt, vor sich das TikTok-Handy auf einem Stativ, das die Sitzung filmt und ihre Stimme aufnimmt, wenn sie in Echtzeit auf Fragen in der Kommentarleiste antwortet. Sie muss nicht in Unterlagen schauen, sie kennt alle 183 Abgeordneten, die Tagesordnung und parlamentarischen Abläufe.

Die Live-Übertragung ist nur eines der Projekte des Newsrooms des Parlaments, der zur Neueröffnung nach der Sanierung komplett neu aufgestellt wurde. Aber wohl eines der erfolgreichsten: Seit dem TikTok-Start im Mai 2024 wurde eine Community von 15.000 Followern aufgebaut und mehr als 2,5 Millionen Aufrufe erzielt.

Wer hinter den Accounts steckt

Geleitet wird der Newsroom von Sandra Nigischer und Amra Durić. Neben der klassischen Parlamentskorrespondenz und der Website kuratiert ihr Team auch die Accounts auf verschiedenen sozialen Plattformen – mit Bedacht auf die jeweilige Zielgruppe. Insgesamt zählt das Parlament 127.000 Follower.

Amra Durić (links) und Sandra Nigischer leiten den Newsroom im österreichischen Parlament.

Amra Durić (links) und Sandra Nigischer leiten den Newsroom im österreichischen Parlament. 

Auf Facebook funktionieren Fotoalben zum Durchklicken, auf Instagram, wo die Aufmachung etwas jünger wirkt, sind es vor allem cots“ (schöne Fotos, in dem Fall von der Architektur). Ganz jung ist die Zielgruppe auf TikTok.

Jene, die früher oder später ins wahlberechtigte Alter kommen, für den Parlamentarismus und Demokratie begeistern, ist das große Ziel. Und ja, Sie ahnen es: Das ist gar nicht einfach.

Einfache Sprache

Plenarsitzungen sind lang, mitunter sehr lang. Das Newsroom-Team fasst die wichtigsten Beschlüsse in 90 Sekunden zusammen. Für die Videos braucht man zwar immer noch eine etwas längere Aufmerksamkeitsspanne als der Durchschnittsuser auf Social Media. Aber immerhin.

Kurze, recht humorige Videos, gibt es beispielsweise zu Halloween: Darin führt eine Kamera durch einen unterirdischen, 115 Meter langen und mit Neonröhren beleuchteten Tunnel, der das Palais Epstein und das Parlamentsgebäude verbindet. Zu hören ist die Musik aus der Mystery-Serie „Akte X“. Ob die junge Zielgruppe sie als solche erkennt, sei dahingestellt. Gruselig ist sie so oder so (und sie läuft auch sonst in diesem Tunnel, nicht nur zu Halloween).

Und dann gäbe es noch das Parlaments-ABC und ein Lexikon, in denen regelmäßig die wichtigsten Begriffe in einfacher Sprache erklärt werden. Als Erwachsener und Wahlberechtigter kennt man die eh alle. Logisch. Aber nachlesen schadet nicht, vor allem nicht in dieser Kürze und Prägnanz.

Lustig sein ist allerdings nicht die Intention, betont auch Viktoria Nedwed, die regelmäßig für Kurzvideos auf vor der Kamera steht. „Wir wollen das Parlament als offene, nahbare Institution in der Öffentlichkeit positionieren.“ Freilich etwas lockerer – man wisse schließlich, was dem Algorithmus „gefällt“.

Weil dieser beispielsweise Mode höher reiht als Politik, hat das Newsroom-Team am Wahltag ein „Get ready with me“-Video gepostet. Ines Haberl zieht sich da in stylisher Insta-Manier an und ruft auf: „Geht wählen!“

Kooperation

Zentral sei bei ihrer Arbeit, unparteiisch zu bleiben, betont Newsroom-Chefin Nigischer. „Wir machen keine politische Kommunikation, sondern erklären Hintergründe.“ Und dass alle Klubs gleich oft vorkommen – etwa beim Format „Lieblingsplatz“ oder bei Interview-Serien, in denen Abgeordnete zu Fragen aus der Community Stellung nehmen.

Bestätigt fühlt sich das Team, wenn Kinder und Jugendliche aus der Demokratiewerkstatt, einem Programm für Schüler, kommen und etwa ein Selfie wollen, weil sie die Videos von TikTok kennen.

Oder wenn Kollegen vom deutschen Bundestag in ihre DMs sliden (ihnen eine Kurznachricht schicken), zu ihrem Social Media Auftritt gratulieren und kooperieren wollen. Die sitzen übrigens in Berlin.

Kommentare