Pröll, Häupl, Niessl: "Gehe nicht zum Fürst, wenn du nicht gerufen wirst“

Erwin Pröll, Michael Häupl und Hans Niessl
Michael Häupl, Erwin Pröll und Hans Niessl über ihre politische Zurückhaltung, die aktuelle Stimmung und authentische Politiker.

Beim Pfarrwirt in Wien-Döbling fand vergangenen Mittwoch ein Gipfeltreffen statt, dass von 2000 bis 2016 die Politik in der Ostregion bestimmt hatte. Auf Einladung des KURIER trafen sich die ehemaligen Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland – Michael Häupl (SPÖ), Erwin Pröll (ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ) –, um vor der Kamera über politische Themen zu reden. Nicht über Politikerinnen und Politiker, die aktuell im Bund oder in den drei Bundesländern am Ruder sind, sondern vielmehr über das, was nach Meinung der drei einst mächtigen Landeshauptmänner der Ostregion im politischen Alltag auch heute gefragt wäre.

KURIER: Nach der Qualifikation der Nationalmannschaft hat der Aufsichtsratsvorsitzende des Fußballbundes, Josef Pröll, gesagt, dass die WM-Teilnahme die Stimmung in Österreich heben werde, weil die ist derzeit ohnehin nicht so gut. Ist jetzt schon der Fußball für eine gute Stimmung notwendig?

Michael Häupl: Ich bin ein leidenschaftlicher Fußballer gewesen und bin jetzt ein leidenschaftlicher Fußballfan. Aber es ist trotzdem nur ein Spiel und man sollte die Kirche im Dorf lassen. Natürlich wirkt es sich positiv auf eine Stimmung aus, wenn man im Vergleich dazu viele politische Ereignisse der heutigen Zeit beobachtet, beispielsweise die Inflation. Wenn so ein Erfolg dazu beitragen kann, ein bisschen weniger pessimistisch in die Gegend zu schauen, dann freue ich mich darüber. Hoffentlich ist es so.

Erwin Pröll: Nachdem Fußball ja die wichtigste Nebensache der Welt ist, bleibt das eine gewisse Zeit auch nicht ohne Wirkung. Nur soll sich niemand in der politischen Arbeit Illusionen machen. Der Fußball kann eine gute Stimmung machen, aber er kann eine gute Politik nicht ersetzen. Wichtiger ist, dass man sich auf politischer Ebene darauf besinnt, Nägel mit Köpfen zu machen oder die Grundstimmung von Fakten bestimmen zu lassen und nicht von Emotionen, die von außen in die Gesellschaft getragen werden.

Hans Niessl: Stimmung macht viel aus, das ist grundsätzlich richtig. Aber die kann rasch umschlagen, wenn in der Politik nicht jene Maßnahmen gesetzt werden, die notwendig sind, um aus der Situation herauszukommen. Die Stimmung kann auf Dauer nicht gut sein, wenn man weiter relativ stark steigende Preise im Energiesektor, im Lebensmittelbereich, bei den Mieten etc. hat. Deswegen müssen Maßnahmen gesetzt werden, damit Österreich wieder auf einen Wachstumskurs und auf einen Anti-Inflationskurs kommt.

Michael Häupl, Erwin Pröll und Hans Niessl

Erwin Pröll: Ich möchte in diesem Zusammenhang gern auf die sozialen Medien eingehen, weil ich dafür plädiere, dass man diese Ebene nicht überschätzt. Was sich dort auf breitester Ebene abspielt, ist meilenweit von der Realität entfernt. Deswegen warne ich all jene, die glauben, über soziale Medien kann man alles richten. Und jeder Politiker, der Social Media nutzt, darf sich dort nicht zum Kasperl machen, sondern muss konsequent als Persönlichkeit auftreten, die respektiert wird. Authentizität ist gefragt.

Irgendwie hat man dennoch das Gefühl, dass es heutzutage schwieriger ist, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Im Vergleich zu der Zeit, als Sie noch an der Spitze Ihrer Bundesländer gestanden sind.

Michael Häupl: Zunächst einmal zu dem Begriff, den Erwin verwendet, die Authentizität. Ich halte den für ganz, ganz wesentlich, weil Authentizität vermittelt Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Ehrlichkeit. Oder wie man in Wien sagen würde: Der Typ is’ grod. Das ist ein unheimlicher Bonus im Umgang mit den Menschen. Da ist das Vertrauen ein wesentlicher Punkt für mich. Dass man miteinander redet, auch wenn es noch so schwierig ist. Lösungen zu finden und man verschiedener Meinung ist. Das ist wie in einer Ehe. Was wäre das für eine fade Ehe, wenn man keine Diskussionen und Konflikte hat. Die Frage ist, wie man es auflöst, wie man auf einer Vertrauensebene miteinander umgeht. Wir hatten vor 30 Jahren den Spitalskrieg zwischen Niederösterreich und Wien, und wir haben ihn so gelöst.

Erwin Pröll, Hans Niessl und Michael Häupl, Bei Gebhart Spezial

Jetzt allerdings gibt es wieder die Diskussion über die Gastpatienten in Wien, was damals eigentlich schon erledigt gewesen ist.

Michael Häupl: Ich verstehe schon, wenn man beispielsweise in Wien der Auffassung ist, die damalige Lösung passt heute nicht mehr. Da kann ich aber nur jedem raten, dass man hergeht und sagt, wir werden es über den Finanzausgleich lösen und nicht darüber, dass ich Druckkulissen aufbaue. Das kann ich nicht gewinnen. In diesem Fall ist Lösungsorientiertheit angebracht.

Erwin Pröll: Wir erleben es immer wieder, dass man sagt, die Zeiten sind anders geworden. Natürlich bewegt sich die Welt weiter. Nur: Die Grundsätze, wie man mit den geänderten Zeiten umgeht, bleiben die gleichen. Wenn ich das am Beispiel von uns dreien sage. Wir sind auch keine Wunderknaben gewesen, aber wir sind der menschlichen Vernunft des Zusammenlebens gefolgt. Was ist notwendig? Erstens: Wenn man zusammenarbeiten will, muss man einmal wissen, was man miteinander will, also planen. Zweitens: Der gegenseitige Respekt ist in der politischen Arbeit sehr, sehr wichtig. Und das Dritte ist die Handschlagqualität. Das wurde von der Bevölkerung bei Wahlen entsprechend anerkannt.

2001: Pröll, Niessl, Häupl

Damals ist die Ostregion, sind die drei Bundesländer auch immer über die Parteigrenzen hinweg ziemlich geschlossen aufgetreten. Heute scheint es so, dass Einzelkämpfe mehr gefragt sind.

Erwin Pröll: Ich will mich nicht damit auseinandersetzen, was momentan ist, sondern damit, wie wir das geschafft haben. Wir haben nie ausschließlich nur Partikularinteressen im Auge gehabt. Natürlich hat der Michel genauso wie der Hans und ich immer vorwiegend auf das eigene Bundesland geschaut. Aber wir haben nie vergessen, dass die Ostregion insgesamt eine wesentliche Aufgabe als Schrittmacherdienst für die ganze Republik hat. Hier leben rund vier Millionen Menschen. Die Ostregion ist ein Wirtschaftsfaktor, der für die ganze Republik bestimmend ist.

Das Burgenland war da auf Augenhöhe mit dabei?

Hans Niessl: Da war ich sehr froh, dass das Burgenland auf Augenhöhe mit dabei war. Das war nicht selbstverständlich. Ich bin im Jahr 2000 Landeshauptmann geworden, da waren Erwin Pröll und Michael Häupl schon erfahrene Regierungspolitiker bzw. Landeshauptleute. Dass ich als Partner aufgenommen worden bin, war für mich persönlich wichtig, es war auch für das Burgenland wichtig. Die Parteigrenzen waren nie ein großes Hindernis, weil es um Sachpolitik gegangen ist.

Genauso wie zu Ihren Zeiten werden wieder einmal Strukturreformen zwischen Bund und Ländern verhandelt. Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der Steirer Mario Kunasek, hat in diesem Zusammenhang gesagt, die Landeshauptleute dürften nicht zu Frühstücksdirektoren degradiert werden. Besteht die Gefahr?

Erwin Pröll: Ob die Landeshauptleutekonferenz zu Frühstücksdirektoren degradiert wird, hängt von den handelnden Personen selber ab. Diese Befürchtung hatten wir nie. Wir drei, so wie wir hier sitzen, wären nicht einmal auf so eine Idee gekommen. Mit Vernunft angewendet, ist der Föderalismus politisch ein unglaublich tolles Instrument. Er birgt die Chance in sich, Entscheidungen mit Bürgernähe treffen und auch erklären zu können. Österreich ist nun einmal unterschiedlich strukturiert. Das muss sich in der Politik entsprechend abbilden. Dass es da auch Spannungsfelder gibt, ist auch klar. Die würde es aber auch ohne die Bundesländer geben.

Michael Häupl: Wir waren ja seinerzeit schon dabei, als mit einem großen Verfassungskonvent versucht wurde, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine Aufgabenverteilung zustande zu bringen. Man kann ja nur raten, dass man sich das noch einmal anschaut. Da ist in zehn Bänden zusammengefasst. Da wurde übrigens darauf hingewiesen, dass die Umsetzung nicht an den Ländern gescheitert ist, sondern primär am damaligen Finanzminister und bis zu einem gewissen Grad auch am Unterrichtsministerium.

Hans Niessl: Ein ganz wesentlicher Bereich, der neben dem Gesundheitswesen diskutiert werden muss, ist die Bildung. Da geht es nicht nur um Kompetenzen, sondern da sollte auch inhaltlich einiges diskutiert werden.

LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ: STELZER / KAISER / EDSTADLER / KUNASEK / WALNER / MIKL-LEITNER / LUDWIG / MATTLE

Eines ist in der Diskussion gleich geblieben: Der Vorwurf von manchen Regierungsmitgliedern oder auch Ökonomen, dass die Bundesregierung die Steuern einhebt und die Länder sie nur ausgeben.

Michael Häupl: Wenn man sich die Verteilung der Schulden der Republik anschaut, dann ist das nicht wahr. Knapp 90 Prozent macht der Bund. Aber wir haben eh schon immer gesagt, lasst die Länder die Steuern einheben und wir geben dem Bund, was er halt braucht.

Erwin Pröll: Ich war ein strikter Befürworter dafür, dass die Bundesländer eigene Steuerhoheit bekommen, damit die Länder diesen Vorwurf loswerden. Das ist aber vielfach abgelehnt worden. Ich war überzeugt, dass die Länder mit den Haushalten, die sie zur Verfügung gehabt haben, sorgsam umgegangen sind. Ich bin ein Verfechter derjenigen, die sagen, wer das Geld einnimmt, der soll es auch ausgeben.

Andreas Babler, Christian Stocker, Beate Meinl-Reisinger

Andreas Babler, Christian Stocker, Beate Meinl-Reisinger

Sie alle verfolgen noch immer die Politik. Sagen Sie sich da nicht manchmal zu sich selbst, ich sollte eingreifen, weil manches nicht so funktionieren kann?

Michael Häupl: Für mich kann ich das mit einem strikten Nein beantworten. Alles hat seine Zeit, das haben wir schon festgestellt. Ich bin jetzt ungefähr 7,5 Jahre vom Amt weg, das ich nahezu 24 Jahre ausgeübt habe. Wir haben auch unsere Probleme zu lösen gehabt. Jeder weiß, dass es in der Demokratie nur eine geliehene Macht auf Zeit gibt. Das hat einen Anfang und das hat ein Ende. Ich habe wahnsinnig gerne den Job als Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann gemacht. Ich habe von der Studentenzeit weg sehr gerne politisch gearbeitet, aber es muss einmal Schluss sein. Ich mache jetzt das, was mir politisch gesehen Spaß macht. Bei der Volkshilfe, beim Forschungsförderungsfonds, bundesweit beim Dokumentationsarchiv. Ich habe mich auch strikt daran gehalten und habe keinen Kommentar zu aktuellen politischen Handlungen, zu politischen Akteuren abgegeben.

Erwin Pröll: Ich sehe das genauso wie der Michel. Wenn wir wollten, dass wir uns in die aktuellen politischen Diskussionen einmischen, dann hätten wir alle drei täglich die Möglichkeit dazu. Wir tun es nicht, weil wir ganz genau wissen, dass es ohnehin schwierig genug ist, Verantwortung zu tragen. Da braucht man nicht noch die Altvorderen, die ihren gescheiten Senf dazu abgeben.

Man könnte das aber auch anders sehen. Sie drei haben so große politische Erfahrung, auf die man auch im Hinblick auf aktuelle Probleme zurückgreifen könnte.

Erwin Pröll: Unsere Erfahrungen sind abrufbar. Da gibt es aber einen Grundsatz: Gehe nicht zum Fürst, wenn du nicht gerufen wirst. Wenn wir nicht gebraucht werden, gehen wir davon aus, dass die Amtierenden genau wissen, was sie zu tun haben. Punkt eins. Punkt zwei: Was ich schon tue, ist das, was wir hier jetzt tun. Wo drei Menschen beisammensitzen, die über Jahrzehnte Verantwortung getragen haben, die Verantwortung sehr ernst genommen haben, die auch aus dieser Verantwortung heraus persönliche Freundschaften entstehen haben lassen. Und im Blick zurück dankbar dafür sind, dass wir für unsere Politik von der Bevölkerung die entsprechenden Zeugnisse erhalten hatten.

Hans Niessl: Ich kann das alles nur unterstreichen. Ich mische mich nur noch ein, wenn es um Sport geht, und mache Vorschläge im Sinne des Sports, wie man zu mehr Gesundheit kommt, wie wir die tägliche Bewegungseinheit umsetzen können und wie vom Kindergarten an bis ins hohe Alter mehr Sport betrieben werden kann. Das hilft, auch, das Gesundheitswesen zu entlasten. Das ist meine Aufgabe und die mache ich überparteilich. Da habe ich auch regelmäßig Termine mit Regierungsmitgliedern, um dort für den Sport Überzeugungsarbeit zu leisten.

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