Neue Denkfabrik: Wider die Superreichen
Personal? Hat sie.
Zwei „Senior Scientists“ sind schon engagiert, dazu noch drei, vier Redakteure; und auch einen Beirat mit ehrenamtlich arbeitenden Wissenschaftern hat Barbara Blaha bereits im Boot.
Geld? Hat sie auch, die frühere ÖH-Chefin.
Wie hoch genau ihr Budget ist für den Thinktank "Projekt 360“, das verrät Blaha noch nicht. Nur soviel: "Hunderte Menschen haben seit Start der Finanzierungsphase Geld gespendet. Ende des Jahres werden wir alle Spenden in einem Transparenzbericht veröffentlichen.“ Und auch Institutionen der Arbeitnehmervertretung (Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund) seien "logische Ansprechpartner".
Vor allem aber hat die vormalige SPÖ-Rebellin eine Mission. Und die besteht darin, "ein Gegengewicht zur Übermacht von rechtsliberalen Thinktanks wie der Agenda Austria oder Eco Austria zu bilden."
Das klingt nach einer Kampfansage. Und in vielerlei Hinsicht ist es das auch.
Behauptungen entzaubern
Denn im Kern will das Projekt 360 all jene "Behauptungen" und Forderungen entzaubern bzw. infrage stellen, die von "Superreichen und deren Armada aus Lobbyisten“ verbreitet würden.
Glaubt man Blaha, macht eine kleine, eingeschworene Minderheit mit sehr viel Geld vor allem für sich selbst Politik. "Wir sind seit Jahren mit der Behauptung konfrontiert, politische Entscheidungen seien ,wirtschaftlich alternativlos’, dieses und jenes müssten wir tun, weil sonst im globalen Standortwettbewerb der Untergang drohe."
Ganz zufällig würden diese Maßnahmen aber fast immer "dem großen Geld nutzen", sagt Blaha. "Also Steuern runter, Arbeitsschutz und Löhne runter, Wohlfahrtsstaat runter."
Das klingt recht allgemein, deshalb wird die Gründerin gern auch konkreter – und zwar beim Klimawandel. "Klimakrise und soziale Frage sind untrennbar miteinander verbunden. Aber solange Superreiche und Spitzenverdiener über Lobbying und Parteispenden substanzielle Vermögens- und Erbschaftssteuern verhindern, fehlen uns die Mittel für einen ökologischen Umbau, der die Bevölkerung mitnimmt."
Vermögenssteuern als einziger Weg aus der Klimakrise? Das klingt dann doch ein wenig zugespitzt.
Wissenschaftliches Fundament
Jedenfalls will das Projekt 360 auf einem "soliden wissenschaftlichen Fundament" (Blaha) agieren und seine Erkenntnisse und Studien nicht nur klassischen Medien anbieten, sondern auch über selbst entwickelte Online-Medien verbreiten.
Ist das Projekt 360 also ein linker Thinktank von SPÖ, Gewerkschaft und Arbeiterkammer? Blaha antwortet so: „Mir ist bewusst, dass viele mich und unser Projekt gern schubladisieren würden. Aber wenn ich in meinem ganzen Leben eines bewiesen habe, dann dass ich nie eine Befehlsempfängerin war.“ Nachsatz: „Und ich habe nicht vor, das zu ändern.“
"Think Austria" und "Denkwerk"
Thinktanks sind in Mode, Institute mit den verschiedensten Schwerpunktsetzungen (Publikationen, Forschung, Veranstaltungen, Diskussionsreihen, Lobbying etc.) nennen sich heutzutage so. Klingt auf Englisch vielleicht flotter als Denkfabrik. Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache wollten in ihrer Regierungszeit einen eigenen Thinktank.
Türkise Fitness war als "Stabsstelle für Strategie, Analyse und Planung“ im Bundeskanzleramt eingerichtet. Sie wurde von Sebastian Kurz 2018 initiiert und der früheren Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler ehrenamtlich überantwortet. Nach dem Ende von Türkis-Blau wurde die Stabstelle, also der Thinktank aufgelöst. Inhaltlich sollte Mei-Pochtler Österreich ein Fitnessprogramm verpassen. Roundtable- und Diskussionsveranstaltungen sowie Workshops fanden statt.
Blaues Nachdenken
Auch das auf FPÖ-Seite erst heuer gegründete Gegenstück, der Thinktank "Denkwerk zukunftsreich", hat mit dem Abgang von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seine Arbeit wieder eingestellt. Zuvor musste er noch umbenannt werden, da die Bezeichnung markenrechtlich geschützt war. Die erste und einzige Veranstaltung wurde zum Thema "islamischer Antisemitismus" abgehalten.
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