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Neos wollen Polit-Interventionen im ORF zur Straftat machen
Die Neos legen ein umfangreiches Konzept gegen den Parteieneinfluss im ORF vor.
Hans Peter Haselsteiner höchstpersönlich rückte am Mittwoch aus. In der Neos-Sphäre, dem Parteilokal der jüngsten Parlamentsfraktion, präsentierte Haselsteiner gemeinsam mit Neos-Chef Matthias Strolz und Mediensprecher Niko Alm das Konzept für eine Ent-Parteipolitisierung des ORF.
Der Grundgedanke: Der derzeitige ORF-Stiftungsrat habe zwei Funktionen, die als Eigentümervertreter und die als Kontrollorgan. Diese beiden Funktionen sollen, analog zu Aktiengesellschaften, wo es eine Aktionärshauptversammlung und einen Aufsichtsrat gibt, getrennt werden.

Diese Stifterversammlung wählt dann zehn „Kapitalvertreter“ für den Aufsichtsrat (weitere fünf stellt der Betriebsrat). Der Wahlmodus: Je zwei Personen aus der Stifterversammlung können einen Kandidaten, der fachliche Qualifikationen aufweisen muss, für die Wahl zum Aufsichtsrat nominieren. Das ergibt 26 Aufsichtsrats-Kandidaten. Diese sollen sich in der Stifterversammlung einem öffentlichen Hearing stellen. Danach wählt die Stifterversammlung zehn der 26 für vier Jahre in den Aufsichtsrat.
Der fünfzehn-köpfige Aufsichtsrat bestellt wie in der Aktiengesellschaft mit doppelter Mehrheit den ORF-Vorstand. Statt des derzeitigen Alleingeschäftsführers soll der Vorstand ein Kollegialorgan mit vier bis sechs Mitgliedern sein.
Haselsteiner: „In diesem Verfahren sind mehrere Filter eingebaut, um die Parteipolitik aus den ORF zu drängen.“ Zusätzlich wollen die Neos Politiker-Interventionen unter das Korruptionsstrafrecht stellen. Haselsteiner: „Das ist die schärfste Waffe für die Unabhängigkeit der Redakteure.“ Die Idee, Polit-Interventionen strafbar zu machen, hatte schon Hugo Portisch beim Rundfunkvolksbegehren 1964, ließ sie aber mangels Realisierungschancen fallen.
Haselsteiner wird als Vertreter der Neos in den derzeitigen ORF-Stiftungsrat entsandt – und darauf hinwirken, dass „ich mich selbst bald abschaffe“. Sollte die rot-schwarze Koalition einen Proporz-ORF einführen, drohen die Neos mit einem „lauten Aufschrei“.
Die Neos bekennen sich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sagt Strolz, allerdings unter Beachtung von Wettbewerbsregeln. Der ORF müsse seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen und dürfe kein kommerzielles Programm machen. Haselsteiner: „Man kann nicht beides haben: ein Programm wie die Privaten und Steuergeld. Mit Gebührengeldern Wettbewerbsverzerrung betreiben, geht nicht.“
Wenn die zuständige Behörde, die KommAustria, feststelle, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag vom ORF nachhaltig nicht erfüllt werde (etwa auf ORF 1 oder Ö3), sei die Privatisierung dieser Programme zu überlegen.
Die neuen NEOS im Nationalrat
Hans Peter Haselsteiner: „Visionär und Weichensteller“
Mit 69 Jahren verabschiedete sich Hans Peter Haselsteiner in die berufliche Pension, um einen politischen Neuanfang zu wagen: Im Juni legte er sein Mandat als Chef der Strabag zurück, übergab das Geschäft an Nachfolger Thomas Birtel.
Seit 1972 war er in der Bauwirtschaft tätig, und das als einer der erfolgreichsten Unternehmer, die Österreich vorzuweisen hat. Seit 2006 war er Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns; 2008 gründete er zudem die RAIL Holding AG, die mit der Westbahn den ÖBB Konkurrenz macht.
Nun kehrt er wieder zurück in den politischen Ring – dort war er bereits von 1994 bis 1998 aktiv, als Nationalratsabgeordneter für das Liberale Forum unter Heide Schmidt. Auch damals trat er bereits als Parteifinancier in Erscheinung. 2008 versuchte das LiF erfolglos, wieder in den Nationalrat einzuziehen; damit endete auch Haselsteiners aktive politische Karriere.
Im Hintergrund arbeitete er dennoch weiter mit Schmidt und den Liberalen zusammen: Er unterstützte das von der Politikerin gegründete Institut für eine offene Gesellschaft, eine parteiunabhängige Stiftung, wirtschaftlich.
Auch sozial engagiert sich der 69-Jährige; vor allem im Kampf gegen Obdachlosigkeit. In Wien etwa hat er den Bau von Wohngemeinschaften des VinziRats-Corti-Hauses unterstützt, auch Sozialzentren in Moldawien wurden über seine Privatstiftung mitfinanziert. Auch Ute Bock ließ er seine Hilfe angedeihen: Er rettet das Flüchtlings-Projekt 2008 mit einer Großspende vor dem Konkurs.
Wegbereiter beschreiben ihn deshalb auch als einen Menschen "mit sozialem Anspruch und Fingerspitzengefühl“ – diese Worte stammen etwa von Ex-Kanzler und Strabag-Aufsichtsratschef Alfred Gusenbauer. Er würdigte Haselsteiner bei dessen Abschied auch als "eine der prägendsten Persönlichkeiten der Zweiten Republik".
Als "Mann der Tat" sowie "charismatische, humorvolle, geradlinige und entscheidungsfreudige Persönlichkeit" beschreibt ihn der Obmann der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, Erwin Hameseder. "Ein Mensch mit Handschlagqualität, ein Visionär, ein Weichensteller."
Monika Lindners ORF-Vergangenheit wird durchleuchtet
Für Monika Lindners Beziehung zum Werber Günter Lebisch interessiert sich nun auch ihr ehemaliges Unternehmen, der ORF. In ihrer Zeit als Generaldirektorin hatte Lindner ihren Lebensgefährten Lebisch großzügig mit Aufträgen bedacht. So großzügig, dass nun die interne Revision damit betraut wurde, die Rechnungen von damals noch einmal zu prüfen. Sollten die Honorare zu hoch ausgefallen sein, könnte sich Lindner des strafbaren Vorwurfs der Untreue ausgesetzt sehen.
Bis zu zwei Millionen
Aus internen Dokumenten, die bereits 2006 kursierten (Lindner unterlag in diesem Jahr Alexander Wrabetz bei der Generaldirektorenwahl), soll hervorgehen, dass Lebisch rund 1,7 Millionen Euro ausgezahlt bekommen hat. Laut APA-Recherchen handelt es sich sogar um zwei Millionen Euro, die mehr oder weniger freihändig über die Lindner direkt unterstellte ORF-Grafik vergeben wurden. Lebisch lieferte unter anderem den kreativen Input für die Imagekampagnen des öffentlich-rechtlichen Senders, etwa die „Alles bleibt besser“- oder auch die „Danke“-Kampagne. Die heute branchenweit üblichen Ausschreibungen gab es damals nicht. Zum Vergleich: Bevor der ORF seine jüngste „Wie wir“-Imagekampagne entwarf, gab es einen formalen Wettbewerb unter verschiedenen Agenturen, mit anwaltlicher Begleitung und Jury.
Interne Klärung
Im ORF wird nun die gesamte Tätigkeit der früheren Chefin neu aufgerollt. Wie der Öffentlich-Rechtliche am Mittwoch bekannt gab, werden sämtliche Rechnungen aus ihrer Zeit als Landes- und Generaldirektorin der Jahre 1998 bis 2006 daraufhin überprüft, ob alle internen wie externen Vorschriften und Gesetze eingehalten wurden.
In beiden Funktionen war die mittlerweile wilde Nationalratsabgeordnete für das Marketing zuständig gewesen. Mit deutlichen Worten distanziert sich das Unternehmen vorsorglich von der Ära Lindner: „Der ORF hat selbst großes Interesse an einer raschen Klärung. Es steht allerdings fest, dass die in der Kritik stehende Firma ab 2007, also dem Beginn der Funktionsperiode von Alexander Wrabetz, keine Aufträge mehr vom ORF erhalten hat.“
Lebisch selbst erklärte 2004 in einem Standard-Interview, dass er die Umsätze seiner Werbeagentur mit dem ORF in erster Linie Lindner verdanke. Von der Staatsanwaltschaft Wien war zu erfahren, gegen Lindner werde derzeit nicht ermittelt, auch nicht bezüglich der Vorwürfe zum St. Anna Kinderspital (der KURIER berichtete).
ORF: Alles muss besser werden
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue, alte Aktion von Monika Lindner bekannt wird, die irgendwo im Bereich zwischen Unsensibilität und Skandal angesiedelt ist. Da gehört eine ordentliche Portion Masochismus (und Sturheit und Ignoranz) dazu, all das im Hohen Haus, am Hort der Demokratie, aussitzen zu wollen. Diesmal geht es unter anderem um Aufträge des ORF, die ihr Lebensgefährte erhielt, als Lindner Generaldirektorin war. So wurde er etwa für die Kampagne „Alles bleibt besser“ bezahlt.
„Alles bleibt besser“ – davon ist im ORF gottlob keine Rede mehr. Dass irgendetwas dort bleibt, wie es ist, muss man längst als Drohung verstehen.
Das hatte auch Kanzler Werner Faymann erkannt und lange vor den Wahlen mal wieder eine Reformgruppe einberufen. Passiert ist dabei aber nichts.
Nun setzen die Neos als ihre erste parlamentarische Aktion den Fokus auf das Thema ORF. Allein daran sieht man, wie erfrischend es ist, dass diese junge Partei den Sprung ins Parlament geschafft hat.
Im Gegensatz zu SPÖ und ÖVP geht es den Neos dabei zumindest nicht vordergründig um eigene Machtzementierung. Ihr Ziel ist eine Reform des Stiftungsrates, der sich mit einem neuen Organisationsmodell an privatwirtschaftlichen Unternehmen orientieren soll. Hans-Peter Haselsteiner wird selbst Mitglied im bestehenden Aufsichtsgremium und wäre somit der erste Stiftungsrat, der sich in dieser Form selbst abschafft.
Wird wohl eine Weile dauern. Aber alles, was theoretisch zur Unabhängigkeit des ORF beiträgt, veraltete Strukturen aufbricht und ermöglicht, dass der Sender inhaltlich und ökonomisch besser geführt werden kann, ist zu begrüßen. Und es stellt sich die Frage: Wo war eigentlich das Kontrollorgan zu Amtszeiten von Lindner?
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