Deutschsprachige Staatsoberhäupter besorgt nach Chemnitz

Der Schweizer Berset, Erbprinz Alois von Liechtenstein und Van der Bellen
Van der Bellen spricht von "gefährlicher Entwicklung". Steinmeier: Grenzen zwischen Noch-Sagbarem und Unsäglichem verschwimmen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine deutschsprachigen Amtskollegen haben sich besorgt über die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft gezeigt. Was in Chemnitz passiert, sei eine "gefährliche Entwicklung", sagte Van der Bellen am Donnerstag nach einem Treffen der sechs Staatsoberhäupter in der Schweiz.

Die Proteste Rechtsextremer nach dem Mord an einem Mann in Chemnitz und das Erstarken der ausländerfeindlichen AfD solle man "mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen, aber auch nicht aufbauschen", so Van der Bellen gegenüber Journalisten. Vor allem müssten nun auch diejenigen, die eine liberale Demokratie wollen, "aus ihren Lehnstühlen aufstehen und sich an solchen Aktionen beteiligen, um ein Zeichen zu setzen".

Die wachsende Polarisierung der Gesellschaft sei etwas, das "alle mit Sorge" betrachten, erklärte auch der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier nach dem informellen Sechsertreffen in der kleinen Gemeinde Sils Maria im Oberengadin. Diese sei "eine Belastung für die Demokratie". "Nicht jede Verrohung in der Sprache darf erlaubt sein", das was derzeit in Deutschland zu beobachten sei, ist, "dass die Grenzen zwischen dem Noch-Sagbaren und dem Unsäglichen immer mehr verschwimmen". Diese Erfahrungen würden auch andere europäische Demokratien machen, betonte Steinmeier.

Der Schweizer Präsident und Gastgeber des Treffens, Alain Berset, brachte "kulturelle Teilhabe" als "Schüssel" in Zeiten der "verstärkten Polarisierung" ins Spiel. Vor der Diskussion der Staatsoberhäupter hielt demnach auch der Schweizer Literaturwissenschaftlers Stefan Zweifel ein Referat zum Thema "Teilhaben an der Kultur, Teilhaben an der Gesellschaft".

Neben Berset, Van der Bellen und Steinmeier nahmen auch König Philippe für Belgien, Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein sowie Großherzog Henri von Luxemburg an dem jährlich stattfindenden Treffen teil. Laut Präsidentschaftskanzlei ging es dabei im Teil zu "aktuellen politischen Themen" auch um den österreichischen EU-Vorsitz, den Brexit, die Annäherung des Westbalkans an die EU sowie den im Dezember anstehenden Weltklimagipfel in Polen. Zum Abschluss des Treffens besichtigten die Staatsoberhäupter das Juliertheater auf dem auf über 2.000 Höhenmeter gelegenen Julierpass in der Nähe von Sils Maria.

Der informelle Sechsergipfel findet in diesem Jahr bereits zum 15. Mal statt, seit 2014 nehmen daran auch Belgien und Luxemburg teil. In beiden Ländern gibt es deutschsprachige Minderheiten. Im kommenden Jahr wird Österreich das Treffen ausrichten.

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