Am 9. Oktober 2022 wurde Alexander Van der Bellen von 57 Prozent der Wähler im Amt bestätigt. Seine zweite Periode als Bundespräsident beginnt jedoch erst kommende Woche, am 26. Jänner, wenn er vor der Bundesversammlung angelobt wird.
Innenpolitisch findet Van der Bellen zu seinem Neustart eine knifflige Situation vor, liegt doch ausgerechnet die FPÖ mit Herbert Kickl auf Platz 1 in den bundesweiten Umfragen. Die rechtspopulistische, EU-kritische FPÖ verkörpert so ziemlich das Gegenteil dessen, wofür Van der Bellen steht: Europa, Klimaschutz und Wissenschaft.
Spätestens 2024 wird neu gewählt, und danach muss Van der Bellen eine Regierung bilden. Würde, ja müsste er Kickl als Minister oder Kanzler angeloben?
Bei der Wahl des Regierungspersonals lässt die Verfassung dem Bundespräsidenten viel Spielraum. Er kann sich zwar keine bestimmten Personen als Minister aussuchen, sondern der Kanzler muss sie ihm vorschlagen. Aber Van der Bellen ist frei darin, die Kanzler-Vorschläge abzulehnen und bessere zu fordern.
Bundespräsident Thomas Klestil hat im Februar 2000 dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel die FPÖ-Politiker Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn von der Ministerliste gestrichen.
Van der Bellen hat Sebastian Kurz 2017 im Vorfeld der Angelobung von Türkis-Blau wissen lassen, welche FPÖ-Rabauken ihm besser nicht als Minister vorgeschlagen werden. Darunter befand sich der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky. Kickl stand 2017 nicht auf Van der Bellens No-go-Liste, er gelobte ihn als Innenminister an. 2019, nach Ibiza, hat Van der Bellen Kickl auf Vorschlag von Kurz wieder entlassen. Auch das steht so in der Verfassung: der Bundespräsident kann einzelne Minister nicht ohne Kanzlervorschlag feuern.
FPÖ kann Van der Bellen niemanden aufzwingen
Bei der Wahl des Regierungschefs ist Van der Bellen völlig frei. Selbst wenn Kickl Erster würde und einen Koalitionspartner fände, der ihn zum Kanzler macht, müsste Van der Bellen Kickl rechtlich nicht mit der Regierungsbildung beauftragen. Er könnte z. B. einen anderen FPÖler nehmen oder einen FPÖ-nahen Experten. Es hängt dann von der FPÖ ab, was sie bereit ist, als Preis für ihre Regierungsbeteiligung zu akzeptieren. Aber die FPÖ hätte keine Handhabe, dem Bundespräsidenten eine bestimmte Person in einem bestimmten Regierungsamt aufzuzwingen.
Was Van der Bellen nicht verhindern kann: Kickl wird Klubchef und dirigiert die Regierung vom Parlament aus, weil er dort am Drücker für die Abstimmungsmehrheit sitzt. Kickl wäre also bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung jedenfalls in bestimmender Position, wenn seine Partei das will, denn das Mandat kann ihm niemand nehmen und Klubchef wird er über die Wahl durch seine Abgeordneten. Übringes: Bei der Regierungsbildung 2017 wollte Kickl genau das tun - Klubobmann werden und vom Parlament aus die Regierung dirigieren. Es war der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der Kickl nicht im Klub, sondern in einem Regierungsamt haben wollte.
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