Minus 90 Prozent CO2: Heuer wird um Europas Klimaziele für 2040 gerungen

Der neue EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra startet die Diskussion um Europas 2040-Ziel.
Stahl-Industrie fordert dafür „Zugang zu wettbewerbsfähiger sauberer Energie in noch nie da gewesenen Mengen“.

Es ist kaum vorstellbar, aber es passiert: Die Defossilierung der EU  – also das Ende für die Nutzung fossiler Brenn- und Treibstoffe – schreitet voran.

Nach den Zielen für 2020 (minus 20 Prozent CO2) und dem Ziel für 2030 (EU-Gesamt minus 55 Prozent, Länderziel Österreich minus 48 Prozent, Deutschland minus 40 Prozent) wird EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra am 6. Februar den Kommissionsvorschlag für das 2040er-Ziel vorlegen.

Vorbildrolle der EU

Schon bei seinem Hearing als neuer EU-Kommissar im Herbst versprach der Niederländer unter dem Druck der Abgeordneten, sich für eine Treibhausgasminderung von 90 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2040 einzusetzen. Dieses Ziel deckt sich mit den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel, der eine Reduktion von 90 bis 95 Prozent empfiehlt.

„Die EU hat und muss weiterhin eine Vorbildrolle einnehmen, indem sie ehrgeizige Ziele im Einklang mit den im Pariser Klimaabkommen festgelegten Zielen und den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen festlegt“, hatte Hoekstra in einem parlamentarischen Q&A erklärt.

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Wettbewerbsfähigkeit

Was das für den Wirtschafts- und Industriestandort EU bedeutet, skizzierte der europäische Stahlverband Eurofer via Euractiv so: „Ein 90-Prozent-Ziel für die gesamte EU-Gesellschaft bedeutet eine fast vollständige Dekarbonisierung von energieintensiven Industrien wie der Stahlindustrie.“ 

Dies sei aber nur möglich, „wenn es die Gewissheit gibt, Zugang zu wettbewerbsfähiger sauberer Energie in noch nie da gewesenen Mengen zu haben und gleichzeitig gleiche Bedingungen für andere Regionen der Welt zu schaffen, die nicht die gleichen Klimaambitionen haben.“

Neben dem 2040-Ziel ist auch offen, ob die EU-Kommission künftig unterscheiden wird, welche Ziele durch Vermeidung von CO2-Emissionen erreicht werden und inwieweit natürliche CO2-Senken (Wälder, Moore, Böden) und technischer CO2-Abbau (CCS, chemische CO2-Abscheidung) dazu beitragen sollen. 

Hoekstra wird dazu ebenfalls am 6. Februar eine Mitteilung über einen Plan für „das Kohlenstoffmanagement in der Industrie“ vorlegen.

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Viel Gesprächsbedarf

Bevor Hoekstras Vorschläge rechtlich bindend werden, werden nach Antritt der neuen EU-Kommission im Herbst 2024 ein oder mehrere Legislativvorschläge dazu vorgelegt werden. Bis dahin werden auch die Staats- und Regierungschefs der EU das Thema im Juni erörtert haben. Somit ist die Diskussion über diesen tiefen Eingriff in Europas Volkswirtschaften voll im Gang. 

Klar ist, dass Reduktionsziele von 90 oder 95 Prozent Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben werden. So würde unwahrscheinlich werden, dass nach 2040 noch Verbrennerfahrzeuge auf den Straßen sein können (Ausnahme für E-Fuels, die es in den benötigten Mengen in naher Zukunft nicht geben wird), ebenso scheint der Betrieb von Erdgas- oder Erdölheizungen unter solchen Klimaregimen nicht mehr möglich. 

Und nicht zuletzt kommt die Industrie massiv unter Druck, die – wie von Eurofer erwähnt – nur weiter wirtschaften kann, wenn der Ökostromausbau bzw der Wasserstoff-Import gelingt.

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