"Mein Vertrauen gehört August Wöginger"

Bei Gebhart mit Landeshauptfrau von NÖ Johanna Mikl-Leitner
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner über den bevorstehenden Prozess gegen den ÖVP-Klubobmann, die Reformpartnerschaft und den Konflikt mit Wien um die Gastpatienten.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner rechnet damit, dass diesmal die Reformpartnerschaft zwischen Bund und Ländern funktioniert. Gleichzeitig warnt sie vor zu viel Zentralismus.

KURIER: Für die Gesundung des Staatshaushaltes wird im kommenden Jahr auf die Reformpartnerschaft zwischen Bund und Ländern gesetzt. Man erhofft sich so die große Wende. Wie sehen Sie das?

Johanna Mikl-Leitner: Fakt ist, dass sich die Republik Doppelgleisigkeiten nicht mehr leisten kann, weil die finanzielle Lage auf allen Ebenen angespannt ist. Wir befinden uns im dritten Jahr einer Rezession. Da stehen geringeren Steuereinnahmen dynamische Ausgaben und Kostensteigerungen gegenüber. Da benötigt es im Rahmen der Reformpartnerschaft klare Antworten. Den Bürgerinnen und Bürgern ist egal, wer wofür zuständig ist. Sie erwarten Systeme, die funktionieren und effizient sind, aber vor allem auch bürgernah.

Ein Beispiel für diese dynamischen Kostensteigerungen ist der Gesundheitsbereich. Da hat Ihre Parteikollegin Landeshauptfrau Karoline Edtstadler vorgeschlagen, die Gesundheitskompetenzen in den Bund zu verlagern. Was ist da Ihre Position?

Ich stehe jeder Reform offen gegenüber. Wir setzen in Niederösterreich derzeit unseren Gesundheitsplan 2040 plus um. Der ist von Experten ausgearbeitet und über die Parteigrenzen hinweg beschlossen worden. Acht von zehn Niederösterreichern halten diese Reform für wichtig. Sie sagen, dass sie, wenn sie krank sind, lieber in das beste als in das nächstgelegene Spital wollen. Die Reform soll eine nachhaltige Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau garantieren können.

Dieser Plan mit künftig weniger Krankenhäusern wird durchgezogen, gleichgültig wer in Zukunft für die Krankenhäuser und Kliniken in Österreich zuständig ist?

Jawohl, so ist es.

In der Ostregion ist im Gesundheitsbereich der Konflikt um die Gastpatienten ein sensibles Thema. Wer nicht aus Wien kommt, wird in den Spitälern der Bundeshauptstadt als Patient zweiter Klasse behandelt. Das regt die Menschen ungemein auf. Wieso kommt man da zu keiner Lösung?

Auch bei uns melden sich immer wieder Patientinnen und Patienten, die vor Monaten in Wien einen Termin für eine Operation vereinbart haben, aber dann kurzfristig eine Absage bekommen. Das verlängert das Leiden dieser Menschen, wofür es überhaupt kein Verständnis gibt. Vor allem wenn man weiß, dass ausländische Staatsbürger mit Meldezettel in Wien, die nicht ins System eingezahlt haben, behandelt werden, unsere niederösterreichischen Landsleute, die in Wien arbeiten und zur Wertschöpfung in der Stadt beitragen, aber nicht. Ich halte das für den falschen Weg. Das ist die Abkehr von dem gemeinsamen Weg, den wir in den vergangenen Jahrzehnten gegangen sind. Ich habe den Patientenanwalt gebeten, hier Betroffene zu beraten. Seitens des Landes haben wir außerdem einen Auftrag an unseren Rechtsanwalt gegeben, hier mögliche Schritte vorzubereiten. Bis hin zur Klage. Und gleichzeitig appelliere ich an Wien: Wir müssen zu einem gemeinsamen Weg zurückfinden.

Politisch könnte man das ja mit einem Gespräch mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig aus dem Weg räumen.

Es gibt hier laufend Gespräche zwischen unserem Landesrat Toni Kasser und dem Wiener Stadtrat Peter Hacker. Die gilt es abzuwarten. Aber klar ist, dass wir uns erwarten, dass sich Wien an die Vereinbarungen im Rahmen des Finanzausgleiches hält. Niederösterreich zahlt Jahr für Jahr 500 Millionen Euro an die Stadt für die Behandlung von Gastpatienten.

Zurück zur Reformpartnerschaft: Sie sind schon lange in der Politik und haben viele derartige Bemühungen erlebt. Warum soll das diesmal gelingen?

Der Druck ist so groß, dass wir etwas zustande bringen müssen. Aber Zentralisierung bedeutet nicht von vornherein, dass die Effizienz gesteigert wird. Wir müssen uns schon klar sein, dass die besten politischen Entscheidungen jene sind, die nahe bei den Bürgern getroffen werden. Und gerade Zentralisierungen führen dazu, dass Entscheidungen immer weiter weg von den Bürgern stattfinden.

Zum ausführlichen Interview mit Landeschefin Johanna Mikl-Leitner

Zuletzt hat ein Gegenüber bei den Verhandlungen, Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn, in einem Interview seine private Meinung öffentlich gemacht, dass ihm eine Reduktion auf drei Bundesländer reichen würden. Wie haben Sie das aufgenommen?

Ich halte das für einen Humbug. Die neun Bundesländer gehören zur Identität unserer Republik. Es waren die neun Bundesländer, die diese Republik gegründet haben. Sepp Schellhorn ist derzeit als Staatssekretär ausreichend mit der Entbürokratisierung beschäftigt. Da braucht es Tempo, da braucht es vor allem viele große Schritte.

Sepp Schellhorn hat bereits 113 Vorschläge für Entbürokratisierungen gemacht. Wenn ich Sie richtig verstehe, erwarten Sie da noch viel mehr.

Es war jetzt ein guter, wichtiger Schritt, aber da muss noch mehr kommen. Gerade die Bürokratie ist die größte Geißel für die Wirtschaft, die Industrie und auch für die Privatpersonen.

Ein weiteres Thema, das zwischen Bund und Ländern gelöst werden muss, ist die Vereinheitlichung der Sozialhilfe. Was sind da Ihre Forderungen?

Bei uns in Niederösterreich gilt der Grundsatz, dass der, der arbeitet, nicht der Dumme sein darf. Deswegen haben wir im Herbst auch noch bei der Sozialhilfe an den Schrauben gedreht und die Regeln verschärft, um gegen jene vorgehen zu können, die die Sozialhilfe ausnützen wollen. Wer Arbeit ablehnt oder falsche Angaben macht, dem wird die Sozialhilfe gekürzt oder gar gestrichen. Würde die Bundeshauptstadt Wien unser Modell anwenden, würde sie sich auf einen Schlag 300 Millionen Euro sparen. Niederösterreich hat das strengste Sozialhilfegesetz, und ich denke, es kann hier für eine bundeseinheitliche Regelung Pate stehen.

Wie sehen Sie den Vorwurf von NGOs, dass man hier den Ärmsten das Geld wegnimmt?

Jeder von uns weiß, dass die Sozialhilfe das letzte Netz für all jene ist, die wirklich Hilfe und Unterstützung brauchen. Dazu gibt es auch ein klares Bekenntnis. Aber wenn die Sozialhilfe so hoch ist, dass man keinen Anreiz mehr hat, einer Beschäftigung nachzugehen, dann ist es ein falsches Instrument.

Noch ein paar Fragen zur Bundesregierung. Die Dreierkoalition ist seit März im Amt. Wie beurteilen Sie die Regierungsarbeit?

Ich schätze Bundeskanzler Christian Stocker sehr, weil er ein Mann der Taten ist. Aber er befindet sich in einer Koalition mit der SPÖ und den Neos. Da würde ich mir vor allem mehr Tempo und mutigere Maßnahmen in Richtung Wirtschaft und Industrie wünschen. Es werden zwar Maßnahmen gesetzt, die sind aber noch nicht ausreichend. Da benötigt es mehr Bewegung bei der Sozialdemokratie. Denn eines ist klar: Wenn man permanent auf Industrie und Wirtschaft hinschlägt, dann bekommt man dafür die Rechnung präsentiert. Und die heißt Abwanderung von Betrieben und vor allem auch hohe Arbeitslosigkeit.

Die Regierungsarbeit ist das eine, dass die drei Parteien ÖVP, SPÖ und Neos bei Umfragen nicht vom Fleck kommen, das andere. Das muss ja frustrierend sein.

Ich würde mich von Umfragen nicht irritieren lassen. Wer sich davon leiten lässt, vergisst, sich auf die zentrale Aufgabe zu konzentrieren. Alles zu tun, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu Gast in der Sendung "bei Gebhart"

ZUR PERSON

Johanna Mikl-Leitner
Die politischen Stationen der  Niederösterreicherin in der ÖVP: Landesgeschäftsführerin, Nationalratsabgeordnete, Landesrätin, Innenministerin und seit 2017 Landeshauptfrau von NÖ.

Umfragen führen dennoch zu innerparteilichen Debatten, zur Frage, ob die richtigen Personen in der Führung sind. Wie beurteilen Sie die Gerüchte, die da vermehrt im Umlauf sind?

Das mögen sich vielleicht andere Parteien fragen. Ich bin mit Christian Stocker sehr zufrieden.

Bei der Wirtschaftskammer-Affäre haben Sie die Initiative ergriffen und gesagt, in Wien wisse man, was zu tun ist. Das hat zu einem Rücktritt geführt. Wie stehen Sie jetzt zu Klubobmann August Wöginger, der sich in einem Prozess dem Vorwurf des Postenschachers stellen muss? Es gibt die politische Forderung, dass er zurücktreten sollte.

Gerichtlichen Entscheidungen greife ich nicht vor, aber mein Vertrauen gehört August Wöginger. Allein die Tatsache, dass es zu einem Prozess kommt, ist noch kein Grund, das Amt zurückzulegen.

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