Meinl-Reisinger: "Opposition machen wir gut und gerne"

Meinl-Reisinger: "Opposition machen wir gut und gerne"
Wenig Neues beim ersten Sommergespräch im ORF: Neos-Chefin Meinl-Reisinger fordert halbe Lohnnebenkosten vom Staat, eine Hotline für Lehrer und hat "ein Faible für Körperkontakt".

An einem - so schien es - extra langen Tisch im Weingut am Reisenberg fand am Montagabend das erste Sommergespräch des ORF statt. Der Mindestabstand zwischen Simone Stribl und ihrem ersten Interview-Gast, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, war gewahrt, und auch inhaltlich dominierte die Corona-Krise.

Der Staat habe derzeit die "erste Aufgabe", eine zweite Welle und damit einen zweiten Lockdown zu verhindern. Die "zweite Aufgabe" sei es, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, die Innovationskraft zu entfalten - und "zu zeigen, was in uns steckt", sagte Meinl-Reisinger. 

Ein pinker Vorschlag lautet etwa: Der Staat solle die Hälfte der Lohnnebenkosten übernehmen - als Anreiz für Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen. 

Ausgangsverbot "eine Katastrophe"

Gilt in der Krise das Credo: "Mehr Staat, weniger privat"? Eine liberale Partei wie die Neos hat das ja stets umgekehrt propagiert.

Meinl-Reisinger fand die Frage "plump". Sie erklärte: "Wir brauchen einen verlässlichen Staat, eine verlässliche Regierung und ein verlässliches Sicherheitsnetz. Aber auch den Mut zur Erneuerung." 

Es gehe aber nicht um die Frage, ob es die liberale Partei schmerze, dass der Staat derzeit alles zu regeln scheint. Es gehe um die liberalen Grundwerte und um die Freiheit der Menschen, die in der Corona-Krise eingeschränkt wurden. Teils zu Unrecht, wie sich ja herausgestellt habe. Der Verfassungsgerichtshof hat etwa die Ausgangsbeschränkungen im Nachhinein für gesetzeswidrig erkannt.

Sie halte es etwa für "eine Katastrophe", dass den Menschen eingeredet worden sei, es wäre nicht erlaubt, ins Freie zu gehen. Menschen hätten sie kontaktiert, die im Lockdown vor Einsamkeit verzweifelt gewesen seien.

"Fast Lane" und Hotline für Schulen

Das Ampelsystem, das die Regierung Mitte August starten will, begrüßen die Neos prinzipiell: Regionale Unterschiede bei den Maßnahmen ergeben durchaus Sinn, sagte Meinl-Reisinger, das hätte ihre Partei auch immer gefordert. Es fehlen aber noch Details und Klarheit darüber, wie das System nun genau funktionieren soll. 

Nicht mehr passieren dürfe es, so Meinl-Reisinger, dass eine ganze Schule geschlossen werde, wenn jemand einen Schnupfen hat. Viele Lehrer hätten "echt Angst" vor dem Herbst.

Für Schulen und Kindergärten fordert sie zudem eine "Fast Lane" bei den Corona-Tests (damit die Ergebnisse schneller kommen) und eine Hotline für Lehrer. 

"Das ist schlicht falsch"

"Weniger Staat" hätten die Neos bei den Spitalsbetten einst gefordert, erinnerte Moderatorin Stribl. Sie wollten Betten einsparen. Betten, die jetzt in der Corona-Krise im Ernstfall entscheidend wären.

Meinl-Reisinger stellte klar: "Wenn Sie mir damit unterstellen,  dass wir Medizin und Gesundheit nur unter dem rein ökonomischen Aspekt beurteilen, dann ist das schlicht falsch."

Der Rechnungshof und die OSZE hätten die Menge an Spitalsbetten damals thematisiert, den Neos sei es dabei aber nie um Intensivbetten gegangen. Ihre Partei wolle aber weiter hinschauen, welche Behandlungen auch ambulant gemacht werden können - ohne Spitalsaufenthalt. "In den Spitälern darf es nicht zugehen wie am Fließband." 

"Brav nicken und kuschen" bei der ÖVP

Auch bei der Frage, was denn aus ihr geworden wäre, wenn sie bei der ÖVP geblieben wäre, fand Meinl-Reisinger deutliche Worte. (2013 wechselte sie zu den Neos, damals frisch gegründet von Matthias Strolz). 

Sie hätte bei der ÖVP "immer schön brav nicken und kuschen" müssen, sagte sie. Über ihren Wechsel sei sie "sehr glücklich, weil es mir die Freiheit gibt, zu sagen, was ich mir denke". Damals war es ihr Ziel, den rot-schwarzen Proporz aufzubrechen und mit Mut neue Ideen zu verfolgen. 

Im Vorjahr sind die Verhandlungen über eine Regierungsbeteiligung mit ÖVP und Grünen gescheitert. In Wien hat Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr eine Koalition mit der ÖVP von Gernot Blümel von Vornherein ausgeschlossen. 

Opposition "machen wir gerne und gut"

Warum man nicht zumindest verhandeln möchte? Meinl-Reisinger antwortete mit einer Gegenfrage: Die Neos prangern in Wien Postenschacher, Freunderlwirtschaft und Intransparenz durch die SPÖ an. "Will man den jetzt austauschen durch türkisen Machterhalt?"

Sie wüsste nicht, was "besser werden soll in Wien, wenn wir einen Bürgermeister Blümel unterstützen". Und sie stellt klar: "Wir sind in der Opposition, das machen wir gut, und das machen wir gern." 

Auf ein Wahlziel wollte sie sich nicht festlegen. Sechs, acht oder zehn Prozent - das sei "völlig wurscht". Die Neos wollen nur "wirksam" sein. 

Körperkontakt und Gedächtnistraining

Beim Word-Rap entschied sie sich bei der Frage, mit wem sie lieber in Quarantäne sein würde, für Finanzminister Blümel (nicht für Kanzler Sebastian Kurz). Sie wolle mit Blümel "Gedächtnistraining" machen - im Ibiza-U-Ausschuss hatte er ja einige Gedächtnislücken (Stichwort Laptop). 

Kurz geschmunzelt wurde auch bei der Frage, wie sie derzeit (aus Hygienegründen) grüßt: Mit dem Ellbogen oder mit einer Verbeugung? "Mit dem Ellbogen", antwortete Meinl-Reisinger. "Ich habe ein Faible für Körperkontakt." 

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