Budgetexpertin: "Steuererhöhung kann kurzfristig sinnvoll sein"
Österreich dürfte trotz erwarteter höherer Budgetdefizite der Bundesländer von der EU-Kommission bescheinigt werden, im laufenden Defizitverfahren planmäßig auf dem Weg zu sein. Trotzdem wächst das Budgetloch weiter: Seit einigen Wochen ist bekannt, dass die Defizite vor allem in Bundesländern im Osten wie Wien deutlich den Rahmen sprengen. Das gesamtstaatliche Minus könnte dadurch in Richtung 4,9 statt der angepeilten 4,5 Prozent des BIP steigen.
Braucht es trotz der bisherigen Schritte also zusätzliche Maßnahmen aus der Budgetkrise? Margit Schratzenstaller, Budget- und Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) beantwortete am Dienstag in der ZIB 2 die Frage, warum das aktuelle Defizit noch nicht feststeht, wie folgt: "Weil das in einem Bundesstaat nicht ganz so einfach ist. Vor allem, wenn man neun Bundesländer hat und über 2.300 Gemeinden hat. Das dauert einfach eine Zeit, bis das alles gemeldet und konsolidiert worden ist.“ Und ergänzte: „Aber da gibt es sicher Verbesserungsbedarf, dass das schneller geht.“
"Doppelgleisigkeiten und Überschneidungen"
Zu den Ursachen höherer Länderdefizite nannte Schratzenstaller unter anderem geringere Einnahmen und höhere Ausgaben infolge der Krisen der vergangenen Jahre, etwa in der Teuerungskrise im Personalbereich oder für bestimmte Anschaffungen. „Ein ganz zentraler Grund auch ist, dass die Aufgaben im Bundesstaat nicht sehr effizient verteilt sind. Dass es Doppelgleisigkeiten gibt und Überschneidungen gibt“, so Schratzenstaller. Schuldzuweisungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden seien aber wenig zielführend, meint sie.
Schratzenstaller: "Aufgaben nicht effizient verteilt"
Schratzenstaller: "Steuererhöhung kann sinnvoll sein"
Zur Einnahmenseite auf Gemeindeebene meinte die Expertin: „Es wäre sinnvoll, dass man die Grundsteuer stärker nutzt auf der Gemeindeebene. Das könnte eine wichtige Einnahme für die Gemeinde sein, aber da hat man das Potenzial einfach in den letzten Jahrzehnten nicht ausgeschöpft.“
Wäre eine Steuererhöhungen insgesamt sinnvoll in der Budgetkrise? „Tatsächlich Steuererhöhungen sind nicht das Mittel der ersten Wahl. weil wir tatsächlich sehr viele Ineffizienzen haben, sei es das Gesundheitssystem ist oder das Bildungssystem.“ Ihrer Meinung nach seien Strukturreformen in Österreich notwendig, um die Finanzen langfristig zu stabilisieren.
Aber: „Kurzfristig kann es ergänzend sinnvoll sein, dass man Steuern erhöht, aber schon auch mit einem Commitment, dass man, wenn die Budgetkonsolidierung bewältigt ist, die Abgaben dann auch wieder senkt, vor allem, indem man die Abgaben auf die Arbeit dann wieder reduziert.“
"Bundesländer in komfortabler Situation"
Potenziale für Einsparungen sah Schratzenstaller einmal mehr bei Förderungen mit Doppelgleisigkeiten: „Konkret ist es so, dass wir Überschneidungen haben, dass wir Doppelgleisigkeiten haben bei Bund, Länder und Gemeinden, bei den Wirtschaftsförderungen, auch bei den Familienförderungen und zum Beispiel auch bei den Pendlerförderungen. Ich glaube, auf der Länderebene wäre hier einiges zu holen, denn der Bund gewährt ja schon relativ umfangreiche Pendlerförderungen, zum Beispiel auch monetäre Familienförderungen. Auf der Länderebene gibt es das auch - und ich glaube, dass wir diese Überschneidungen und diese Doppelgleisigkeiten doch abschaffen sollten.“
Zur Frage nach mehr Abgabenautonomie der Bundesländer sagte Schratzenstaller: „Ich würde das für sehr sinnvoll halten.“ Die Bundesländer befänden sich „in der doch in einiger Hinsicht komfortablen Situation, dass sie für das Geld, das sie ausgeben, dem Wähler, der Wählerin keine Verantwortlichkeit schuldig sind.“
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