Warum die Leistungsgruppen wieder zurückkehren könnten

Freitagnachmittag wird Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner groß angekündigten Rede in Wels auch das Thema Leistungsgruppen in den Schulen ansprechen. Details wurden zwar keine verraten, es kann aber nur auf eine Forderung hinauslaufen – dass in den Hauptfächern der Mittelschule die Jugendlichen wieder in Leistungsgruppen aufgeteilt werden.
Ist das gut, ist das schlecht? Es ist jedenfalls das Ergebnis mehrerer verhunzter Bildungsreformen. Rückblick in die Nullerjahre, als es noch Hauptschulen gab (die heute Mittelschulen heißen). Damals gab es Leistungsgruppen in den Hauptschulen und wer in der untersten Leistungsgruppe landete, hatte kaum Chancen auf einen Aufstieg. Die schwachen Schüler waren punziert, was sich auf ihre gesamte weitere Karriere auswirkte. Das hatte die Politik richtig erkannt.
Leistungsgruppen wurden abgeschafft
Grund genug für die damalige Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ), in die große Reformkiste zu greifen. So wurde die „Neue Mittelschule“ geboren, die heute nur mehr Mittelschule heißt. Wesentliche Neuerung, abgesehen vom neuen Türschild: Die Abschaffung der Leistungsgruppen. Stattdessen wird das Team Teaching eingeführt, also in den Hauptfächern zwei Lehrer pro Klasse. Grundsätzlich eine Innovation, doch dafür hätte man die Pädagogen auch lehren müssen, wie das Team Teaching funktioniert.
➤ Mehr dazu: Was über Nehammers Rede bekannt ist
Hat man aber nicht oder zumindest nicht ausreichend. Natürlich gibt es Lehrer-Paarungen, die das sicher ausgezeichnet machen. Es gibt aber auch Klassen, in denen ein Pädagoge wie zu Zeiten Maria Theresias vorne steht und der Team-Kollege hinten sitzt und Hausübungen kontrolliert.
Start: 1983 wurden in den Hauptschulen Leistungsgruppen eingeführt. Schon damals gab es die Kritik, dass das die Chancengleichheit verringert. Befürworter sahen darin eine Möglichkeit zur individuellen Förderung.
3 Leistungsgruppen gab es bis 2015: In der ersten saßen Schüler, die auf das Gymnasium vorbereitet wurden. In der zweiten wurden Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die später auf die Polytechnische Schule oder die Berufsschule wechseln konnten. In der unteren Leistungsgruppe wurde auf die Berufsschule vorbereitet. Die Eltern hatten bei der Einteilung kein Mitspracherecht
Heute ist die Mittelschule vor allem eines – die teuerste Schulform. Der Rechnungshof kritisierte im Bericht 2022, dass die sehr hohen Kosten der Mittelschule zu keinen Verbesserungen in den Bereichen der fachlichen Leistungen und überfachlichen Kompetenzen geführt hätten. Der Rechnungshof regt an, das sehr teure Team Teaching zu reduzieren.
Nun soll es eine Rückkehr zu Leistungsgruppen geben. Kanzler Nehammer kann eigentlich nur eine Pflicht zur Rückkehr der Leistungsgruppen ankündigen, denn erlaubt ist die Wieder-Einführung von Leistungsgruppen ja jetzt schon.
Und das kam so: Rund um die Wirren der letzten Wochen der Kanzlerschaft von Christian Kern verhandelten Rot und Schwarz das Autonomie-Paket für Schulen. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) wurden 2017 überraschend vor dem Ende der rot-schwarzen Koalition noch einig. Das Paket gibt den Schulleitern deutlich mehr Freiräume bei der Gestaltung des Schulalltags.
Die wenigsten wussten über Leistungsgruppen Bescheid
Erratum: Die Möglichkeit, Leistungsgruppen wieder einzuführen, wurde durch eine weitere Reform vom damaligen Bildungsminister Heinz Faßmann ermöglicht. Der KURIER hatte diese Maßnahme fälschlicher Weise der Reform von Hammerschmied/Mahrer zugeordnet. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
Dennoch wurde wenig darüber aufgeklärt, dass Leistungsgruppen ab dem Schuljahr 2020/2021 eingeteilt werden dürfen.
„Neben den Differenzierungsmöglichkeiten der Mittelschule wie Teamteaching können die Standorte in der Mittelschule in Deutsch, Mathe und Englisch ab der zweiten Klasse auch dauerhafte Leistungsgruppen einrichten“, lautete eine APA-Meldung, die im Coronajahr nicht nur medial unterging.
Was bei der Einführung der Autonomie und des Team Teachings aber sträflich verabsäumt wurde: Dass die Schulen – Direktionen und Lehrpersonen – über die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler Rechenschaft ablegen müssen. Denn gerade das zeichnet erfolgreich reformierte Schulsysteme wie z. B. das in London aus. In Österreich sind und bleiben die Schülerleistungen höchst unterschiedlich – auch bei Standorten mit ähnlicher Klientel. Dass die Schulleiter mit immer mehr Bürokratie überhäuft werden, bremst sicher auch den Reformeifer an den Standorten – Direktoren werden zu Verwaltern statt Gestaltern.
Der Bundeskanzler hofft jetzt wohl, dass das System effizienter und die Schülerleistungen besser werden, wenn er Leistungsgruppen wieder einführt. Doch solange es im Schulsystem keine Verantwortlichkeit gibt, wird jegliche Schulreform nur bedingt erfolgreich sein.
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