Laut ÖVP wollte Kickl nach BVT-Razzia Ott in zentrale Stelle hieven
Der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch", Andreas Hanger, hat am Montag einmal mehr FPÖ-Chef Herbert Kickl als "Sicherheitsrisiko für Österreich" bezeichnet. Zu diesem Befund kommt Hanger, weil man in den Akten Belege dafür gefunden habe, dass Kickl als damaliger Innenminister nach der Razzia beim BVT dem Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott eine zentrale Rolle in der Neuaufstellung des Geheimdienstes zugedacht habe. Die FPÖ wies dies zurück.
Der "mutmaßliche russische Spion" Ott, so Hanger bei einer Pressekonferenz am Montag, hätte laut einem Organigramm die Koordinierungsstelle in einem der Referate des "BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) NEU" leiten sollen. Dadurch hätte er Zugang zu allen sicherheitsrelevanten Informationen und streng geheimen Dokumenten bekommen, behauptet Hanger. Ott sei zum damaligen Zeitpunkt suspendiert gewesen.
Laut Hanger existiert zudem ein Chat zwischen dem ehemaligen freiheitlichen Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein und Ott, in dem dieser dem Verfassungsschützer angekündigt habe, bei der Neustrukturierung des Geheimdienstes im März bzw. April 2019 "mit dabei zu sein". "Wir werden für alle, die mitgeholfen haben, eine gute Lösung finden", zitierte Hanger. Dazu sei es infolge des Platzens der türkis-blauen Koalition im Zuge der Ibiza-Affäre und der anschließenden Neuwahl aber nicht mehr gekommen. Jenewein habe damals als "rechte Hand" Kickls fungiert, so Hanger.
Die Frage, die sich für den schwarzen Fraktionsführer nun stellt, sei, ob Kickl damals von Otts mutmaßlicher Spionagetätigkeit gewusst und das absichtlich gemacht habe. Hanger ortet "Indizien" dafür und führte etwa den Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Wladimir Putins Partei "Einiges Russland" ins Treffen. Damit werde man Kickl am Donnerstag im U-Ausschuss konfrontieren. Daneben gebe es aber jede Menge anderer Themen, von blauem Postenschacher und Günstlingswirtschaft bis hin zu Inseratenkauf, so Hanger: "All das werden wir auf den Tisch legen". Im Vergleich zur Staatsschutz-Causa würden diese aber wie "Lausbubenstreiche" anmuten.
Kickl ist am Donnerstag als Auskunftsperson im U-Ausschuss geladen. Hanger kündigte an, auch den ehemaligen Sicherheitssprecher Jenewein im parlamentarischen Gremium befragen zu wollen.
Die FPÖ wies die Darstellungen Hangers am Rande einer Pressekonferenz zurück. Das Organigramm kenne er nicht, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. "Ich weiß nicht, woher der Herr Hanger dieses Organigramm herhaben möchte. Wenn wir uns das BVT ansehen, dann gibt es auch hier einen Hauptschuldigen: Herrn (Peter) Gridling" (der vormalige BVT-Leiter, Anm.). Dieser sei von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) geholt worden und sei dann vom "Berner Club" (einem informellen Zusammenschluss europäischer Nachrichtendienste) "nie ernst genommen" worden. "Er hatte nie irgendetwas im Griff im Geheimdienst." "Fakt" sei auch, "dass Herr Ott unter (Innenminister Wolfgang/ÖVP, Anm.) Sobotka suspendiert und dann wieder eingesetzt worden ist - das hat mit uns auch nichts zu tun".
"Kollege Hanger tritt jeden Tag mit irgendwelchen neuen skurrilen Aluhüten auf", meinte Hafenecker - er bewundere ihn, "wie kreativ" er dabei sei. Die ÖVP versuche in den letzten Tagen, die FPÖ "anzuschütten". Die Probleme gingen aber allesamt auf Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) zurück. Auch verwies er darauf, dass im Beirat der im Kanzleramt unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eingerichteten (und später wieder aufgelösten) Strategie-Stabsstelle "Think Austria" etwa der in Deutschland unter dem Verdacht der Bilanzfälschung festgenommene frühere Wirecard-Chef Markus Braun saß - ein "Kompagnon" des nach Moskau geflüchtete Ex-Wirecard-Vorstands Jan Marsalek.
Auch wies Hafenecker auf ein Foto von Marsalek mit dem Ex-Innenminister und nunmehrigen Nationalratspräsidenten Sobotka (ÖVP) hin, das die beiden bei einem Essen im Jahr 2017 in der österreichischen Botschaft in Moskau zeigen soll. "Das Sicherheitsrisiko hat drei Buchstaben und das heißt ÖVP."
Zum angeblichen Chat Jeneweins meinte Hafenecker: "Es gibt halt oft welche, die sich wichtig machen." Jenewein habe damals nicht die Position gehabt, über Funktionen zu entscheiden, er wolle die Chats nicht interpretieren, denn das wäre "unseriös". Zu den Kurznachrichten müsse man schon Ott und Jenewein selbst befragen, sagte er.
Die Neos wiederum orten bei der ÖVP "Kindesweglegung". Zum einen habe die Volkspartei Kickl zum Innenminister gemacht, zum anderen trage die ÖVP die politische Verantwortung, dass ein Netzwerk Marsaleks das Innenministerium überhaupt infiltrieren konnte, so die pinke Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper: "Das Netzwerk ist schon in jenen 24 Jahren entstanden, in denen die ÖVP im Innenministerium an der Macht ist." Die ÖVP wolle offensichtlich von ihren eigenen Verfehlungen ablenken. Statt professioneller Personalpolitik sei unter ÖVP-Innenministerinnen und -ministern Postenkorruption "systemisch" gewesen.
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