Hält die türkis-grüne Koalition bis 2024? Kurz "optimistisch"

Bundeskanzler Sebastian Kurz
Vizekanzler Kogler ist ebenfalls "sehr zuversichtlich", sein Vertrauen in einen Minister ist allerdings "geschrumpft". Ministerin Edtstadler plädiert für "Versachlichung" bei Debatte um Abschiebungen.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist trotz des jüngsten Koalitionskrachs um die Abschiebungen von drei Schülerinnen und deren Familien guter Dinge, dass Türkis-Grün die gesamte Legislaturperiode halten wird. "Ich bin sehr optimistisch, dass ÖVP und Grüne bis zum Herbst 2024 in der Regierung weiter gut zusammenarbeiten werden", sagte Kurz zur Welt am Sonntag. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) steht ebenfalls zur Koalition, legte aber in seiner Kritik am Innenminister nach.

"Entscheidungen über das Recht auf Asyl werden in Österreich von Gerichten getroffen, und als glühender Verfechter des Rechtsstaats ist es für mich selbstverständlich, höchstrichterliche Entscheidungen zu akzeptieren", meinte Kurz zu den heftig diskutierten Abschiebungen nach Georgien und Armenien. "Man hat als Staatsbürger und Politiker das Recht, eine Gerichtsentscheidung persönlich als falsch zu empfinden. Aber wichtig ist, dass man sie respektiert", forderte der Kanzler. Was die Zukunft der Koalition angeht, ist Kurz optimistisch: "Es gibt noch sehr viel zu tun. Wir müssen gemeinsam die schwerste Pandemie seit 100 Jahren bewältigen und durch den Fokus auf Innovation und Ökologie schnell wieder zur wirtschaftlichen Stärke zurückfinden."

Kogler: Vertrauen in Nehammer "geschrumpft"

Kogler zeigte sich in Interviews mit der Kleinen Zeitung, dem Standard und den Salzburger Nachrichten am Samstag ebenfalls "sehr zuversichtlich", dass die Koalition die volle Legislaturperiode hält. Gleichzeitig sprach der Grünen-Chef aber nach wie vor von einem "offenen Konflikt" in der Abschiebungsfrage und ließ es sich auch nicht nehmen, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erneut scharf zu kritisieren. So warf Kogler Nehammer falsche Behauptungen und Ablenkungsmanöver von "Schwierigkeiten" im Innenressort vor. Er erwarte sich, "dass die Menschenrechte eingehalten werden, das ist doch völlig klar. Und klar ist auch, dass es da Grenzüberschreitungen gibt", sagte Kogler.

"Ich würde mir mehr Herz und Hirn erwarten, speziell vom Innenminister", meinte der Vizekanzler außerdem. "Selbstverständlich" sei das Vertrauen in Nehammer "geschrumpft", weil dieser "ja Dinge behauptet hat, die nicht zutreffen".

Die ÖVP reagiert mittlerweile etwas gereizt: "Die Beschimpfungen gegen den Innenminister und die ÖVP ändern weder etwas am Regierungsprogramm noch am Rechtsstaat", richtete Wöginger dem Grünen Vizekanzler aus. "Man kann höchstgerichtliche Urteile persönlich ablehnen, in einem Rechtsstaat sollte man sie aber stets akzeptieren."

Die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) begrüßte unterdessen in einer Aussendung die von Kogler eingerichtete Kindeswohlkommission. Man hoffe, "dass daraus eine fixe Einrichtung wird, die das Wohl und den in unserer Verfassung verankerten Schutz von Kindern in allen Bereichen des Lebens in den Fokus rückt, und nicht nur anlassbezogen agiert", meinte Vizepräsidentin Hedwig Wölfl. Zudem wurde die Forderung nach einem eigenen Kinderministerium erneuert.

Edtstadler für "Versachlichung"

"Jetzt braucht's eine Versachlichung der Debatte", appellierte die für Verfassung zuständige Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) Samstagmittag in der Ö1-Reihe Im Journal zu Gast. Die von Kogler eingesetzte Kindeswohlkommission trage bestimmt dazu bei. "Das macht mich betroffen, wenn wir solche Bilder sehen", betonte Edtstadler zu den Abschiebungen der Familien. Aber als Juristin meinte sie auch, "wir leben in einem Rechtsstaat und das ist gut so".

Man könne nicht die Eltern und den Rechtsbeistand aus der Pflicht lassen, es habe im konkreten Fall "einen klaren Missbrauch des Asylrechts" gegeben, argumentierte Edtstadler. "Es gab hier keinen Spielraum", verteidigte sie ihren Parteikollegen Nehammer, das humanitäre Bleiberecht sei mehrmals geprüft worden. Man könne nicht zuschauen, dass "Recht gebrochen" werde und ein Bleiberecht erzwungen werde. "Hier ist der Versuch unternommen worden, den Rechtsstaat zu unterwandern."

44 % für automatische Staatsbürgerschaft bei Geburt in Österreich 

Gesetzliche Änderungen im Asylbereich lehnt die ÖVP derzeit ab. Die Stimmung in der Bevölkerung, was eine automatische Verleihung der Staatsbürgerschaft bei Geburt betrifft, ist offenbar gespalten: Das Nachrichtenmagazin profil veröffentlichte am Samstag eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Unique research" (500 Befragte, Schwankungsbreite 4 Prozentpunkte), in der sich 44 Prozent der Österreicher dafür aussprechen, dass in Österreich geborene Kinder automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten sollen, auch wenn die Eltern Ausländer sind. 45 Prozent wären dagegen, der Rest machte keine Angaben.

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