Zadić entmachtet umstrittenen Justiz-Sektionschef Pilnacek

Christian Pilnacek
Ministerin Zadić will Sektion aufteilen, der langjährige Spitzenbeamte kann sich auf die Leitungsposten neu bewerben.

Ein Beamter, der von der Opposition durch die politische Manege gezerrt wird. So sehen ihn die einen. Ein Machtmensch, der Strafverfahren manipuliert. Das sagen die anderen.

Viel wurde über Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, gesagt – besonders in den vergangenen Wochen: Sein Vertrag läuft Ende Mai aus.

Zuletzt poppten wiederholt alte Vorwürfe gegen ihn auf. Es lag der Verdacht nahe, dass Druck auf die grüne Justizministerin Alma Zadić aufgebaut werden sollte, damit sie seinen Vertrag nicht verlängert. Die Opposition forderte offen seine Abberufung.

Am Dienstagabend verkündete die Justizministerin eine salomonische Entscheidung: Sie teilt seine Sektion auf. Pilnacek kann sich für die Leitungsposten neu bewerben.

Zadic leitet eine Initiative kontra Korruption in die Wege

Heikle Strafverfahren

Die Sektion IV besteht aus den Bereichen Legistik und Einzelstrafsachen. In der Legistik geht es um die Gestaltung von Gesetzen. Der Bereich Einzelstrafsachen beinhaltet die Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften.

Pilnacek war damit die vergangenen zehn Jahre für Weisungen in politisch heiklen Strafverfahren zuständig – und immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe auf unsachliche Weise Einfluss genommen – was er zurückweist.

Entsprechende Anzeigen gegen seine Person gingen ins Leere – etwa in der Causa Eurofighter, als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihn im Vorjahr wegen Amtsmissbrauchs angezeigt hatte.

Waren neue Vorwürfe der Grund?

Zuletzt wurde ein eMail-Verkehr öffentlich, in dem Pilnacek dafür plädierte, die WKStA öffentlich schlecht darzustellen. Die Mails sind ein Jahr alt, wirklich beigelegt wurde der Streit zwischen dem Sektionschef und den Korruptionsjägern aber nie.

Am Dienstag kursierten Gerüchte, dass die WKStA neue Vorwürfe gegen Pilnacek im Ärmel habe. Ob das bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt hat?

Zadić wich bei dieser Frage in der "ZiB2" aus: Sie habe schon länger gefordert, die Sektion zu teilen. Unabhängig von der Person Pilnacek sei für sie nun als Ministerin klar, dass es eine „interne Gewaltenteilung“ brauche. Vorwürfe gegen Pilnacek habe es immer wieder gegeben – es liege nicht in ihrer Macht, die Anzeigen zu prüfen, betonte sie. Aktuell gibt es jedenfalls eine Anzeige in der Causa Stadterweiterungsfonds.

Aufregung gab es auch, als im Februar bekannt wurde, dass sich Pilnacek mit drei Beschuldigten in der Casinos-Causa getroffen hatte. Zadić stellte sich vor ihren Spitzenbeamten, intern bekam er aber einen Rüffel und die Weisung, derartiges künftig zu unterlassen.

Zadić will "klare Verhältnisse" schaffen

Zu ihrem Schritt, die Sektion aufzuteilen, erklärte Zadić am Dienstag, dass es ihr bei ihrer „Strukturreform“ um das Vertrauen in die Justiz gehe – es dürfe nicht einmal den Anschein der Einflussnahme geben. Sie sagte aber auch: „Einen Generalverdacht hat niemand verdient.“

Nach der Aufteilung sollen in der Sektion Nummer eins, Legistik, Reformen vorangetrieben werden. Die zweite, Einzelstrafsachen, soll als Fachaufsicht die Unabhängigkeit der Strafverfolgung sicherstellen. Zadić will „klare Verhältnisse schaffen“.

Auf die Frage, wie es mit Pilnacek weitergehen soll, meinte Zadić, sie habe immer gut mit ihm zusammengearbeitet. Sie freue sich, wenn er sich für die neuen Leitungsposten bewirbt. Ob er das auch tut, war am Dienstag noch unklar.

"Mächtigster Mann im Justiz-Ressort"

Die Aufteilung ist eigentlich ein Rückbau zur früheren Struktur: 2010 hat die damalige Ministerin Claudia Bandion-Ortner die Bereiche Legistik und Einzelstrafsachen zusammengeführt. Pilnacek wurde als Chef eingesetzt und galt lange als „mächtigster Mann im Ressort“ – was nicht schmeichelhaft gemeint war.

Mit seiner Entmachtung nimmt Zadić ihn auch politisch aus der Schusslinie – heikle Strafverfahren wie die Ibiza-, Casinos- und Eurofighter-Causa laufen auf Hochtouren, Pilnacek ist bald nicht mehr dafür zuständig – kann weder „politisch gemobbt“ werden, noch Einfluss nehmen. Wie man es nimmt.

Der Koalitionspartner ÖVP wurde am Dienstagnachmittag über die Pläne informiert, eine Zustimmung sei nicht nötig. Zadic erklärte, jeder Minister habe die Aufgabe, selbst für gute Rahmenbedingungen in seinem Ressort zu sorgen. Sie erwartet sich von der Organisationsreform, die bis Herbst abgeschlossen sein soll, auch Verfahrensbeschleunigungen.

Positives Echo der Opposition

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim begrüßte die Entscheidung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die Sektionen für Strafrecht und Einzelstrafsachen (und damit auch für Weisungen) wieder zu trennen. Man habe die Zusammenlegung unter ÖVP-Ministerin Bandion-Ortner immer kritisiert. Auch werde endlich auf zahlreiche Vorwürfe gegen Pilnacek reagiert. „Dieser Schritt war jedenfalls überfällig“, so Yildirim, die weiter nach einem weisungsunabhängigen Bundesstaatsanwalt verlangte.

Erfreut zeigte sich auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper. „Pilnacek war der Kopf eines Systems der Angst, der Abhängigkeit und der Intervention. Eines Systems, in dem bestimmte Strafverfahren torpediert oder 'daschlogn' wurden“, meinte sie. Staatsanwälte seien gezielt unter Druck gesetzt worden. Das System der berichtspflichtigen Verfahren müsse nun dringend evaluiert und ein Reformpaket geschnürt werden, forderten die NEOS.

Auch der grüne Parlamentsklub gab dem Vorhaben der Parteikollegin seinen Segen. Man begrüße die Schaffung der beiden getrennten Sektionen „Straflegistik“ und „Einzelstrafsachen“ im Justizministerium. „Diese Maßnahme gewährleistet, dass das Justizministerium in Abstimmung mit dem Parlament die anstehenden wichtigen Reformvorhaben im Strafrecht voranbringen kann, während gleichzeitig für die Staatsanwaltschaft die größtmögliche Distanz zur Politik gewahrt werden kann“, meinte die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl wertet den Umbau im Justizministerium am Dienstag als „logische Konsequenz einer schrittweisen Selbstdemontage“ von Sektionschef Christian Pilnacek bei zeitgleichem Rückzug des „ÖVP-Schutzschirms“. In einer Aussendung vermutete er, dass nun jemand anderer im Ressort eine schützende Hand über die Volkspartei halten werde.

 

Hinweis: Der Artikel wurde im Laufe des Abends mehrmals aktualisiert.

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