Strafverteidiger schlagen Alarm: Volles Gefängnis, voller Warteraum

Vienna Regional Court to decide on Austrian businessman Rene Benko's pre-trial detention
In Österreichs größtem Gefängnis sind Termine derzeit nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Auch bei der Digitalisierung ist Luft nach oben.

Wer in einer Justizanstalt – egal wo in Österreich – einen Besuchstermin braucht, der bucht diesen online auf einer Justiz-Website. Außer in der Justizanstalt Josefstadt, mitten in der Bundeshauptstadt Wien. Da schickt man ein Fax. Das dann ignoriert wird. Weshalb man vor Ort eine Stunde oder länger wartet, bis der Insasse endlich vorgeführt wird.

So schildern Strafverteidiger dieser Tage die Situation im größten Gefängnis Österreichs, das auf einen Rekord-Überbelag zusteuert. Aktuell sitzen dort 1.202 Menschen ein, rund 822 davon sind in U-Haft.

Gerade die Untersuchungshäftlinge brauchen den Kontakt zu ihren Verteidigern. Sei es, um zu besprechen, wie es kurz nach der Inhaftierung weitergeht oder um sich auf die Hauptverhandlung vorzubereiten. In den vergangenen Wochen wurden der Strafverteidigervereinigung etliche Beschwerden von Standeskollegen zugetragen – und ein Gerücht: Der Freitag könnte als Besuchstag komplett gestrichen werden.

"Umstände sind alarmierend"

Strafverteidiger-Präsident Philipp Wolm kritisiert das scharf: „Die derzeitigen Umstände sind alarmierend. Aufgrund der chronischen Unterbesetzung in den Reihen der Justizwachebeamten soll nunmehr das grundrechtlich verankerte Besuchsrecht von Verteidigern in aktiven Strafverfahren eingeschränkt werden. Hier wird an den falschen Schrauben gedreht.“

Grafik zum Strafvollzug in Österreich 2025

Vorstellen muss man sich das so: Ein Anwalt kommt zum Empfang, meldet sich an. Sein Besuch wird dann in den Computer eingetragen, parallel dazu führt die Justizwache händisch Buch. Warum, das weiß niemand. (Wahrscheinlich, weil man das immer schon so gemacht hat.)

Dann wird der Anwalt in einen Gang vorgelassen, von dort gehen rechts und links je sechs Zimmer ab. Der Häftling wird von der anderen Seite aus über eine „Einstellzelle“ – eine Art Warteraum – in ein Zimmer gebracht, wo er dann durch eine Glasscheibe mit seinem Anwalt sprechen kann.

Es gilt: first come, first serve. Voranmeldungen (per Fax!) werden kaum berücksichtigt, heißt es aus Strafverteidigerkreisen. Der Insasse wird erst aus seiner Zelle geholt, wenn der Anwalt da ist, und dann warten beide – jeweils in ihren Wartebereichen –, bis ein Zimmer frei ist.

Verschärfend kommt hinzu: Die Richter haben sich von den Anwälten vier Zimmer für Termine mit U-Häftlingen ausgeborgt, weil in dem für sie vorgesehenen Bereich der Baustellenlärm zu sehr stört.

Den Anwälten – und übrigens auch den Sozialvereinen wie der Bewährungshilfe oder Drogenberatung – bleiben damit nur noch acht Zimmer. Und dort finden wochentags zwischen 7.15 und 14.30 Uhr bis zu 190 Vorführungen statt, wie ein Strafverteidiger schildert. Man kann sich vorstellen: Es ist dicht. Würde der Freitag gestrichen, dann würden die übrigen Tage noch dichter.

Derzeitige Auslastung "belastend"

Aus der Generaldirektion für Strafvollzug im Justizministerium heißt es auf KURIER-Anfrage, dass die derzeitige Auslastung – wie auch in allen anderen Justizanstalten – „als belastend zu bezeichnen“ sei und auch zu einer stärkeren Belastung in der Vorführzone führe. Man bewege sich aber „nach wie vor in allen Bereichen im rechtlich zulässigen Rahmen“. Bezüglich Freitag sei keine Änderung geplant, auch am Freitag, 2. Jänner, sollen Vorführungen und Besuche wie üblich stattfinden.

Inklusive Zusatzbetten gibt es in der Josefstadt derzeit 1.328 Betten, ausgerichtet ist sie grundsätzlich für rund 1.000 Personen.

Die Kritik der Strafverteidiger geht noch weiter: In allen Justizanstalten können Anwaltsgespräche unkompliziert via Videotelefonie geführt werden. Was viele Wiener nutzen, um ihre Mandanten in Restösterreich zu betreuen, ohne jedes Mal quer durchs halbe Land fahren zu müssen. Strafverteidiger Norbert Wess (video-)telefoniert dem Vernehmen nach regelmäßig mit René Benko, der in Innsbruck in U-Haft sitzt. Nur in der Josefstadt gehe das nicht, heißt es – mit Ausnahme der Außenstelle Wilhelmshöhe.

Das Justizministerium widerspricht: Videotelefonate könnten auf Ansuchen der Insassen durchgeführt werden, den Besuchern werde direkt ein Link zugesendet.

Die Ausweitung der Fußfessel (die seit 1. September für bis zu 24 Monate möglich ist) hatte noch keinen entlastenden Effekt auf die überfüllten Gefängnisse österreichweit: Vor Inkrafttreten gab es 368 Personen im elektronisch überwachten Hausarrest, mit 1. Dezember waren es sogar etwas weniger: 364 (Grafik).

Die Bearbeitung eines Antrags dauert laut BMJ im Schnitt 118 Tage. Karl-Heinz Grasser bekommt seine Fußfessel übrigens im Jänner.

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