Jugendgefängnis Münnichplatz: Volksanwältin Schwarz sieht "verpasste Chance"

Justizanstalt wird geprüft (Symbolbild)
Nach im Frühjahr bekanntgewordenen Missständen in der Justizanstalt (JA) Münnichplatz in Wien-Simmering hat die Volksanwaltschaft ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, um die kolportierten Vorfälle im neuen, für männliche Jugendliche konzipierten Wiener Jugendgefängnis zu verifizieren.
Das Ergebnis liegt nun vor. Aus Sicht von Volksanwältin Gaby Schwarz (ÖVP) hat sich "einmal mehr bestätigt, dass man die JA Gerasdorf nicht hätte schließen dürfen, bevor der Münnichplatz fertig ist".
Schwarz sprach am Dienstag gegenüber der APA und dem ORF von einer "verpassten Chance" und "schlechtem Projektmanagement". Das Gefängnis für männliche Jugendliche in Simmering ab Jänner 2025 bei laufenden Bauarbeiten in Betrieb zu nehmen, sei "keine gute Lösung" gewesen: "Es war nicht in Ordnung, jugendliche Insassen auf einer Baustelle mit zu wenig Personal anzusiedeln."
Versperrte Zellen am Nachmittag
Die gegenwärtigen Haftbedingungen widersprechen aus Sicht der Volksanwaltschaft den Anforderungen eines modernen Jugendstrafvollzugs. Weil es am JA Münnichplatz nach wie vor keine Besucherzone gibt, könnten die Insassen nur ein Mal wöchentlich ihre Angehörigen sehen, kritisierte Schwarz. Aufgrund von personellen Engpässen bei der Justizwache seien außerdem die sogenannten Einschlusszeiten vorverlegt worden.
Die jugendlichen Häftlinge müssten nun schon ab dem späten Nachmittag in ihren versperrten Hafträumen ausharren.
Zaunparties im Frühjahr
Die im Frühjahr medial berichteten Raufereien unter Insassen der JA Münnichplatz und sogenannte Zaunparties - vor dem Gefängnis fanden sich Jugendliche ein und kommunizierten mit Häftlingen, zwei Personen gelangten sogar auf die Grünfläche vor dem Gebäude, indem sie den Außenzaun überkletterten - hätten sich im amtswegig eingeleiteten Prüfverfahren bestätigt und waren "absehbar", erklärte die für den Strafvollzug zuständige Volksanwältin.
"Mit zu wenig Personal, laufender Baustelle und verfrühter Inbetriebnahme musste es so weit kommen", meinte Schwarz. Zwar hätten die JA und das Justizministerium Maßnahmen zum Gegensteuern ergriffen - etwa in Form einer blickdichten meterhohen Hecke, die Menschenansammlungen vor dem Gebäudekomplex verhindern soll -, es seien aber noch immer Bauarbeiten im Gang.
"Um künftig zu verhindern, dass Zivilisten über den Anstaltszaun klettern, wurde ein Zaun versetzt und zusätzliche Bepflanzung angelegt", berichtete Schwarz. Diese Maßnahmen wären aber schon vor der Inbetriebnahme notwendig gewesen: "Dass jetzt nachgerüstet werden muss, unterstreicht meine Kritik, dass die Realisierung des Projekts Münnichplatz seit Beginn ein logistischer Bauchfleck ist. Zuerst die Baustelle abschließen, alle Mängel beseitigen, für genügend Personal sorgen und dann erst in Betrieb nehmen, wäre im Sinne der Jugendlichen und des Teams besser gewesen."
Personalmangel als "Risikofaktor"
Die Ursachen für insgesamt fünf vom Justizministerium bestätigte Raufereien seit Jahresbeginn sind für Schwarz naheliegend: im Jänner hätten sich elf Insassen in der JA Münnichplatz befunden, im März waren es bereits 21. "Mit zunehmendem Belag, zu wenig Personal und der daraus resultierenden Ausdehnung der Einschlusszeiten ist es zu Unruhe unter den Insassen gekommen. Ich weise laufend darauf hin, dass Personalmangel im Bereich der Fachdienste sowie der Justizwache ein großer Risikofaktor ist", betonte die Volksanwältin.
Dabei konzediert Schwarz der Anstaltsleiterin Seada Killinger und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein engagiertes Bemühen, die Jugendlichen während des Baustellenbetriebs bestmöglich zu betreuen. Ob es aber gelingt, bis Herbst die Baustelle abzuschließen und in den Vollbetrieb zu gehen, "wage ich zu bezweifeln", hielt die Volksanwältin fest: "Laut unseren Informationen sind zahlreiche Stellen noch unbesetzt - sowohl bei der Justizwache als auch beim Fachpersonal."
Vollbetrieb ab November
Laut Volksanwaltschaft befinden sich aktuell 16 junge Häftlinge in der JA Münnichplatz, die von rund 30 Exekutivbediensteten betreut werden. Das neue, auf 72 Häftlinge im Alter zwischen 14 und 18 Jahren ausgerichtete Jugendgefängnis soll mit 60 Exekutivbeamtinnen und -beamten im November den Vollbetrieb aufnehmen, hatte es zuletzt seitens des Justizministeriums geheißen.
Sollte sich alles wie geplant realisieren lassen, könnte die JA Münnichplatz durchaus zu einem "Vorzeigeprojekt" werden, räumte Schwarz ein. Sie befürchtet jedoch, dass die Kapazitäten bald ausgeschöpft sein könnten, zumal sich aktuell immerhin 49 jugendliche Häftlinge auf der Jugendabteilung der JA Wien-Josefstadt befänden. Sollten diese wie geplant in den kommenden Wochen an den Münnichplatz verlegt werden, könnte es bald eng werden. "Der Münnichplatz wird also nicht wie geplant die gesamte Ostregion entlasten können", meinte Schwarz.
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