Josef Cap zur Lage der SPÖ: "Es bringt nichts, herumzueiern"
34 Jahre – so lange war Josef Cap (67) SPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat. Davor fungierte er sechs Jahre lang als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ), die kürzlich ihr 125-jähriges Bestehen feierte. Im KURIER blickt er auf diese Zeit zurück, erkärt, warum Radikalität kein Vorrecht der Jugend ist, und welches Narrativ der SPÖ fehlt.
KURIER: Herr Cap, die SJ feierte vor Kurzem ihren 125. Geburtstag. Ist es noch die selbe Organisation, wie zu Ihrer Zeit als Vorsitzender?
Josef Cap: Nein. Aber auch die SPÖ ist nicht mehr die selbe Partei. Was gleichgeblieben ist, ist, dass die SJ immer wieder versucht, Schwung in die Partei zu bringen und Dinge zu hinterfragen. Das ergibt eine Dynamik, die irrsinnig wertvoll ist.
Man hatte in letzter Zeit allerdings nicht den Eindruck, die Parteiführung würde diese Dynamik sehr schätzen …
Es war immer das Selbstverständnis der SJ, eigenständig und auch massiv außerhalb der Parteigrenzen zu wirken. Ob das geschätzt wird oder nicht, ist eine emotionale Frage. Es ist erfreulich wenn es so ist, aber es ist nicht das Entscheidende.
Die aktuelle SJ-Vorsitzende Julia Herr hat wiederholt eine Teilverstaatlichung von öffentlichen Betrieben gefordert. Sind solch radikalen Positionen wichtig für die Partei – oder sind sie eher hinderlich?
Wir waren früher auch in einigen Bereichen radikal. Radikalität als Wert an sich ist aber wertlos. Du brauchst sie, um an die Wurzeln von Fehlentwicklungen zu gelangen und etwas zu erreichen. Das ist aber nicht nur Vorrecht der Jugend, sondern sollte eigentlich viel öfter passieren. Allerdings soll damit niemand verschreckt werden. Es muss eine genaue Erzählung damit verbunden sein.
Darüber, was nun die Erzählung der SPÖ ist, gab es in letzter Zeit Unklarheit …
Es bringt nichts, da herumzueiern und mit irgendwelchen schwammigen Begriffen die Erzählung der Sozialdemokratie zu formulieren. Ich finde, es ist nichts einfacher. Die Sozialdemokratie ist heute noch wichtiger als sie bisher war, weil die Herausforderungen so gigantisch sind: eine Revolutionierung des Arbeitsmarktes durch die Digitalisierung, Migrationsströme und eine ungerechte globale ökonomische Ordnung – da ist doch die Sozialdemokratie gefordert. Entscheidend ist, wie der Erzähler das präsentiert. Der muss einen Zeitbezug herstellen und eine Zukunftskompetenz ausstrahlen.
Ist dabei im Wahlkampf etwas schiefgelaufen?
Schaut so aus.
Hätte man die Jungen, etwa Julia Herr und Max Lercher, stärker vor den Vorhang holen sollen?
Nein. Der glaubwürdigste Wahlkampf von Jugendorganisationen ist, wenn sie einen eigenständigen Wahlkampf machen. Wenn der Eindruck entsteht, die Partei stellt einen jungen Kandidaten irgendwo hin, ist es nicht überzeugend. Julia Herr hat schlussendlich einen fixen Platz auf der Bundesliste bekommen, und den hat sie auch verdient.
Dennoch gilt sie als Parteirebellin.
Auch Rebell sein ist kein Wert an sich. Die Frage ist, wofür und mit welchem Ziel man rebelliert. Julia Herr hat eine klare Erzählung. Sie wünscht sich eine Erneuerung und kann auch die konkreten Punkte dafür nennen. Sie hat einen Plan. Ich hoffe, dass sie politisch eine wirkliche Zukunft hat.
Man hat das Gefühl, es kommen viele der sogenannten Parteirebellen aus der SJ.
Ja, weil es dort eben die Chance einer unabhängigen und eigenständigen Entwicklung gibt.
Sie haben einmal gesagt, die SJ sei der Stachel im Fleisch der Sozialdemokratie. Sehen Sie das heute noch so?
Heute würde ich das erweitern und sagen, sie ist der Stachel einer blühenden roten Rose.
Das klingt zwar gut, aber würden Sie im Hinblick auf die Wahlergebnisse im September wirklich sagen, dass sie blüht?
Sie blüht. Aber dafür muss man weiterhin etwas tun, sonst verwelkt sie.
Sie machen sich also keine großen Sorgen um die Zukunft der Sozialdemokratie in Österreich?
Nein, überhaupt nicht. Weil das Modell einer offenen Gesellschaft mit Chancengerechtigkeit gebraucht wird.
Gibt es dennoch etwas, das Sie jetzt, aus einer Außenperspektive, den aktiven Mandataren raten würden?
Ich würde gar nichts raten. Wenn mir etwas auf den Nerv gegangen ist damals, dann, wenn irgendjemand geglaubt hat, er muss mir Ratschläge geben. Ich würde nur die Erfahrungen mitteilen, und die Jungen können dann entscheiden, ob sie Fehler, die wir gemacht haben, wiederholen wollen.
Josef Cap gilt als begnadeter Redner. Bekanntheit erlangte er nicht zuletzt 1982 mit seinen berühmten drei Fragen an den damaligen burgenländischen Landeshauptmann Theodor Kery. Mit mehr als 62.000 Vorzugsstimmen zog er ein Jahr später in den Nationalrat ein.
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