Israel-Position: Neos-Alleingang sorgt für Irritation in der Regierung

28 Grad Celsius, strahlender Sonnenschein, dazu kaum Wind: Die Voraussetzungen für den "Sommer-Ministerrat" sind prächtig - zumindest, was die Wetter-Vorhersage angeht. Ehe die politisch karge Zeit anbricht, trifft sich die Bundesregierung noch einmal, um bei einem Treffen Harmonie und Arbeit zu demonstrieren. In früheren Jahren traf man sich gern in Seminarhotels in Reichenau oder Mauerbach; in der jüngeren Vergangenheit sollte die Bundeshauptstadt reichen - wie auch am Mittwoch.
Ungeachtet der meteorologisch günstigen Begleitumstände wurde zuletzt sichtbar, dass die Dreierkoalition die ein oder andere Irritation zu erleiden hat. Da war der inhaltliche Streit um die Abgabenpflicht beim Trinkgeld; auch die Frage der Teilzeit wurde kontroversiell diskutiert; und seit Montag ist man ausgerechnet im außenpolitisch wohl sensibelsten Thema, nämlich bei der Nahost-Politik, in Auffassungsunterschiede verstrickt.
Worum geht es?
Neos-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger hat ein sogenanntes Joint Statement zu den "besetzten palästinensischen Gebieten" unterschrieben, das auf Initiative des britischen Außenministeriums von 29 Staaten unterfertigt wurde. In dem Papier werden ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza und eine Verbesserung der humanitären Lage gefordert. Das klingt aufs Erste vernünftig. Das Problem dabei: Laut KURIER-Recherchen waren weder das von ÖVP-Chef Christian Stocker geführte Kanzleramt noch die Sozialdemokratie in Meinl-Reisingers Entscheidung eingebunden; dem Vernehmen nach wurde man sogar im Ministerium selbst vom Schritt der Ressort-Chefin überrascht. Denn grosso modo wird die weder von der Bundesrepublik Deutschland noch von der europäischen Außenbeauftragten unterschriebene Erklärung sowohl in der Wiener Kultusgemeinde als auch in Jerusalem als, gelinde gesagt, problematisch empfunden.
Warum, das erklärt Daniel Kapp, einst Sprecher von ÖVP-Chef Josef Pröll, heute Managing Partner einer Kommunikationsagentur und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft der Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem, so: "Die Londoner Erklärung ist nicht nur einseitig und diplomatisch unklug, sondern auch strategisch kontraproduktiv. Sie wirkt im Nahen Osten nicht als Mahnung zur Menschlichkeit, sondern als internationales Einknicken vor der Hamas – und genau das wird dort so verstanden." Die Hamas habe die Deklaration bereits gelobt. "Was für sich spricht." Und die fehlende Unterschrift der USA zeige, dass die Erklärung keinen breiten transatlantischen Konsens darstelle.
Ist Beate Meinl-Reisinger Israel-kritischen Kräften "auf den Leim gegangen", wie Kapp vermutet?
Im Büro der Außenministerin stellt man das erwartungsgemäß in Abrede: Österreichs Haltung und außenpolitische Position seien unverändert. "Wir stehen fest an der Seite Israels und bekräftigen sein Existenzrecht, seine Sicherheit sowie sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung", heißt es da schriftlich. Auch verurteile man den "barbarischen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023" und fordere die "sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln". Als Freunde Israels müsse man aber so ehrlich sein zu sagen, dass das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung zu beenden und einen dauerhaften Frieden in der Region zu ermöglichen sei - und das gelinge nur mit einem sofortigen Waffenstillstand in Gaza.
Bei den beiden Koalitionspartnern ist man bemüht, möglichst keine Dissonanzen aufkommen zu lassen bzw. diese zu bestätigen. Im Büro von Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) heißt es diplomatisch, dass allfällige Alleingänge dort besprochen würden, wo dies geboten sei - nämlich intern. Und ein Sprecher von Bundeskanzler Christian Stocker erklärte gegenüber dem KURIER, dass die Unterzeichnung der Londoner Deklaration keine Änderung der Haltung Österreichs darstelle - auch deshalb sei eine Absprache mit dem Kanzler nicht zwingend nötig gewesen. Nachsatz: Aber der Kanzler werde sich dazu möglicherweise ohnehin beim Sommer-Ministerrat äußern.
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