Karners Schengen-Veto sorgt für internationale Turbulenzen

In Kroatien ist Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) seit dem Wochenende der bekannteste Politiker der österreichischen Bundesregierung. Das ist für ihn aber keine Auszeichnung. Seit er am Freitag ein Veto gegen die Schengen-Erweiterung angekündigt hat, steht er dort in der Kritik.
Kroatien ist neben Bulgarien und Rumänien einer jener drei Balkanstaaten, die mit 1. Jänner für die Aufnahme in den Schengen-Raum vorgesehen sind. Jener Verbund europäischer Staaten, innerhalb dessen das Reisen ohne Grenzkontrollen möglich sein müsste.
Am Wochenende gab es deswegen ein langes Telefonat zwischen Karner und seinem kroatischen Kollegen Davor Božinović. Genauso wurde mit dem tschechischen Innenminister Vít Rakušan konferiert, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat.
Kommende Woche will der rumänische Innenminister Lucian Bode nach Wien kommen, um über die Schengen-Erweiterung zu sprechen. Gespräche gibt es auch mit griechischen Vertretern.
Und diese Woche wird auch noch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Kroatien erwartet.
Kritik an EU-Kommission
In allen Telefonaten versuchte Karner klar zu machen, dass sich diese Veto-Drohung nicht gegen die drei Staaten gehe, sondern vielmehr an die EU-Kommission richte. Diese müsse endlich in der Lösung der Asylfrage weiterkommen.
Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen, die über den Balkan kommen, komme es jetzt zur Unzeit, dass die EU-Kommission auf eine Schengen-Erweiterung dränge. Die Zahlen würden deutlich machen, dass der Außengrenzschutz nicht funktioniert. Karner: „Das ist keine Kritik in Richtung der drei Länder, sondern der EU-Kommission, die keine Vorschläge liefert, wie die Asyl-Situation gelöst werden kann.“
Von Jänner bis Oktober haben 89.867 Männer und Frauen in Österreich um Asyl angesucht.
Die meisten Anträge stellten im Oktober Afghanen (4.123), Inder (3.479), Syrer (3.424) und Tunesier (2.462). Inoffiziell wird damit gerechnet, dass die Zahl der Asylanträge mit Ende November die 100.000er-Grenze überschreitet.
59.908 negative Bescheide wurden heuer schon ausgestellt, 17.602 Personen wurde Schutz gewährt (Asyl, subsidiärer Schutz, humanitäre Aufenthaltstitel).
91.500 Flüchtlinge befanden sich Ende Oktober in der Grundversorgung, darunter 56.500 aus der Ukraine.
Jedenfalls hat der Innenminister in den Telefonaten seine Kollegen ersucht, mit ihm noch stärker Druck zu machen, um in Brüssel ein Umdenken zu bewirken. Gelegenheit bietet dazu am Freitag der Sonderministerrat in Brüssel.
Dieser ist das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative des Österreichers mit der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und dem tschechischen Amtskollegen Vít Rakušan (STAN/EVP). Anlass war, dass man in Brüssel auf Wunsch von Frankreich über ein Flüchtlingsboot vor der italienischen Küste, aber nicht über den Balkan diskutieren wollte.
Kroatien, Rumänien und Bulgarien wollen natürlich das österreichische Veto noch verhindern. Bis zum 8. Dezember ist dafür Zeit. Da treffen erneut die Innenminister der EU zusammen, um über die Schengen-Erweiterung abzustimmen.
Eine Gegenstimme reicht, um das Vorhaben zu Fall zu bringen. Neben Österreich sehen auch die skandinavischen Länder diese Erweiterung skeptisch, die Niederlande sind überhaupt dagegen. Für Österreich ist entscheidend, wie die EU-Kommission reagiert, heißt es aus dem Innenministerium.
Mehr Geld für Quartiere
Wenn Gerhard Karner am Freitag beim Sondertreffen der Innenminister in Brüssel weilt, findet gleichzeitig in Parndorf die Konferenz der Asyllandesräte der Bundesländer statt. Auch das ist ein entscheidendes Treffen, weil derzeit viele Fragen offen und die Positionen der Länder äußerst unterschiedlich sind.
Niederösterreichs Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) will, dass viel mehr Flüchtlinge an den Grenzen sofort zurückgewiesen werden. Seine Kärntner Kollegin Sara Schaar (SPÖ) fordert, dass eine kontrollierte Durchreisemöglichkeit in andere EU-Staaten geschaffen wird, damit weniger Asylwerber in Österreich bleiben (siehe Interview unten).
Wien und Tirol wollen, dass die Kostensätze für Asyl-Quartiere erhöht und realen Rahmenbedingungen angepasst werden. Sprich: In Gebieten wie Wien und Innsbruck etwa, wo die Wohnkosten höher sind, soll auch mehr bezahlt werden.
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