Kärntens Flüchtlingsreferentin: "Das Asylsystem geht gerade hops"
Außerhalb Kärntens kannte Sara Schaar (SPÖ) zu Jahresbeginn kaum jemand. Dann blockierte die Landesrätin, wochenlang das Vorhaben des Innenministeriums, die Zuverdienstgrenze nur für Ukrainer anzuheben. Nun fordert sie die Öffnung der Grenzen und Sondertransporte für Flüchtlinge bis in ihr Zielland. Politisch polarisiert der Name nun bundesweit.
KURIER: Wir sitzen in ihrem Büro, mit vielen bunten Bildern an den Wänden. Wie würde das Bild aussehen, das Sie zeichnen, um Ihr Verhältnis zum Innenministerium zu verdeutlichen?
Sara Schaar: Das Bild mit dem Innenministerium würde gar nicht so schlecht aussehen. Aber das zum Herrn Innenminister wäre spannend.
Was wäre darauf zu sehen?
Ein Fass ohne Boden, um darzustellen was aufgrund der Asylpolitik von Innenminister Gerhard Karner derzeit in Österreich passiert.
Kärnten hat zuletzt für Schlagzeilen gesorgt, da Flüchtlinge tagelang in Wartebereichen ausharren mussten. Wie geht es Ihnen dabei?
Das passiert nicht nur in Kärnten, sondern in allen Bundesländern. Man muss hinterfragen, warum wir gerade jetzt in Österreich so einen eklatanten Anstieg von geflüchteten Menschen haben, die alle bei uns einen Asylantrag stellen. Dann wird man sehen, dass sie diesen Antrag gar nicht bei uns stellen wollen, sondern müssen. Zur Verdeutlichung: Wir hatten in einer Woche 4.000 Asylantragsstellungen, darunter waren aber nur 316 Personen, die den Antrag selbst gestellt haben. Der Rest wurde bei Aufgriffen zur Antragsstellung gezwungen.
Mit gezwungen meinen Sie bei den Grenzkontrollen?
Die Länder, die uns vorgelagert sind, haben das Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt. Wir sind nun jenes Land, das laut Dublin immer noch Grenzschutz betreibt. Durch den Assistenzeinsatz des Bundesheeres sind die Soldaten verpflichtet, jede Person, die sie sehen aufzugreifen und einzumelden. Wir sind der Trichter, der die Menschen daran hindert, dorthin zugehen wo sie hinwollen.
Aber was wäre die Alternative? Alle ohne Kontrolle durchzuwinken? Nicht wissend, wer ins Land kommt?
Mir geht es nicht ums Durchwinken. Viele fürchten sich vor Bildern wie im Jahr 2015. Man muss die Menschen kontrolliert bei der Selbstorganisation der Durchreise unterstützen, bis sie sicher im EU-Mitgliedstaat sind, in den sie auch wollen.
Aber wie soll dies praktisch funktionieren?
Man könnte Busse oder Züge zur Verfügung stellen. Niemand braucht im Winter Bilder, auf denen Menschen zu Fuß unterwegs sind.
Aber öffnet dies nicht Tür und Tor für Kriminelle?
Man muss schon schauen, wo die Menschen durchreisen. Und jene, die bei uns bleiben wollen, werden registriert.
Aber wo registrieren Sie die durchreisenden Menschen? In den Zügen?
Wenn ich Dublin III außer Kraft setzen würde, dann müsste ich sie nicht in Österreich registrieren.
Sie wollen Dublin III außer Kraft setzen (hier wird u.a geregelt, welcher Mitgliedstaat für einen Asylantrag zuständig ist?
Wir wollen bei der Flüchtlingsreferenten-Konferenz in wenigen Tagen einen Antrag in diese Richtung einbringen. Denn es gibt ein Frühwarnsystem auf europäischer Ebene, wo ein Staat, der sich mit der Situation überfordert sieht, die EU anrufen und einen anderen Mechanismus einfordern kann. Doch der Innenminister will das nicht. Und das verstehe ich nicht. Wir brauchen eine solidarischen Schulterschluss.
Den solidarischen Schulterschluss sieht Bundeskanzler Karl Nehammer aktuell nicht mit der EU, sondern in einem Bündnis mit Serbien und Ungarn.
Das ist nett. Und für die Medien schön zu schreiben. Aber das bringt uns in der Situation nicht weiter. Und nur weil ich eine Mauer vergrößere, werde ich die Menschen nicht aufhalten. Ungarn winkt durch.
Aber würde sich Deutschland bei Österreich nicht auch schön bedanken, wenn plötzlich alle Flüchtlinge mit Zügen dort an der Grenze stehen?
Deutschland allein kann nicht alle aufnehmen. Darum brauchen wir den Schulterschluss auf EU-Ebene. Etwa in Form von EU-Außengrenz-Aufnahmezentren, eine Forderung, die es schon sehr lange gibt. Aber wir brauchen nun rasche Lösungen. Denn sonst geht das Asylsystem hops – was gerade passiert.
Was im Umkehrschluss bedeuten würde, dass man nichts aus 2015 gelernt hat?
Wir in Kärnten haben sehr viel gelernt. Ich habe immer im Vorfeld die Bürgermeister informiert. Der Herr Innenminister hat das bis jetzt nicht gelernt.
Kärnten ist das letzte Bundesland, in dem noch Zelte für Flüchtlinge stehen. Bleibt dies so?
Überall dort, wo ein Zelt steht, hätte ein Container stehen können. Und nachdem nur der Herr Innenminister entscheidet, ob er ein Zelt aufstellt, oder nicht, entzieht sich alles weitere meiner Kenntnis.
Mit welcher Erwartung geht man in die Flüchtlingsreferenten-Konferenz im Burgenland?
Mit einer sehr hohen. Ich kann nur hoffen, dass der Herr Innenminister endlich auch die Realität erkennt, in der wir uns befinden und es ein Eingeständnis gibt, dass es so nicht weitergehen kann.
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