Warum Beamten durch das Info-Freiheitsgesetz Gefängnis droht

Seit nicht ganz drei Wochen ist das Informationsfreiheitsgesetz in Österreich „scharf“ gestellt: Der Staat muss, wo früher das Amtsgeheimnis galt, nun jedem, der ein Ansuchen stellt, Auskunft geben.
Ins Schwitzen dürften dafür jetzt jene Beamten kommen, die solche Anträge auf Auskunft bearbeiten und entscheiden müssen, ob diese erteilt werden muss oder einer der Geheimhaltungsgründe weiterhin besteht.
Mit dem neuen Gesetz wurde das jahrzehntelang geltende Prinzip der Amtsverschwiegenheit aufgehoben. Beamte waren bisher verpflichtet, nahezu alle Informationen geheim zu halten, sofern ein öffentliches oder wirtschaftliches Interesse berührt war.
Nun gilt der Grundsatz der Informationsfreiheit – und damit eine Umkehr der Logik: Informationen sind grundsätzlich herauszugeben, es sei denn, bestimmte gewichtige Gründe sprechen dagegen.
Diese Gründe sind im Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz genau aufgelistet: nationale Sicherheit, außenpolitische Interessen, öffentliche Ordnung, die Vorbereitung einer Entscheidung, wirtschaftliche Schäden für eine Gebietskörperschaft – oder überwiegende Interessen Dritter, etwa beim Datenschutz. Jeder Antrag auf Auskunft verlangt somit eine juristisch anspruchsvolle Abwägung.
Was nach einem klaren Schritt in Richtung Transparenz klingt, könnte in der Praxis zur Hürde werden. Denn die Neuregelung bedeutet, dass Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter künftig in jedem Einzelfall prüfen müssen, ob die Herausgabe von einstigen Amtsgeheimnissen nun zulässig ist – und diese Abwägung penibel dokumentieren, um das Risiko strafrechtlicher Folgen zu reduzieren.
Der Anwalt und Datenschutzexperte Rainer Knyrim, der sich intensiv mit dem Gesetz befasst hat, sieht insbesondere die Prüfung zur „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ als problematisch: „Nach meiner beruflichen Erfahrung ist so eine Abwägung tatsächlich eine schwierige juristische Aufgabe. Und wenn Beamte Informationen herausgeben und die Abwägung nicht ordentlich, nachvollziehbar und vollständig dokumentiert ist, könnten sich strafbar machen.“ Das Strafgesetzbuch droht mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Damit verlagert sich das Risiko. Denn für die Nicht-Herausgabe von Informationen droht Beamten kein Strafverfahren. Für eine – möglicherweise fehlerhafte – Herausgabe hingegen schon.
Die logische Folge: Viele könnten im Zweifel auf der sicheren Seite bleiben und Anträge ablehnen. Die Abwägung könnte dann ein Gericht machen: Informationswerber müssen den Weg zum Landes- oder Bundesverwaltungsgericht einschlagen, wo unabhängige Richter ohne persönlichen Druck entscheiden können. Anwalt Knyrim empfiehlt das bei strittigen Causen.
Die Gesetzgeber im Parlament haben mit der Reform den Begriff der „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ gelöscht – sie wurden durch die Wörter „Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung“ ersetzt. Straffällig macht sich also nun, wer Informationen offenbart, obwohl er oder sie gesetzlich zur Geheimhaltung verpflichtet ist – und dadurch ein öffentliches oder überwiegendes berechtigtes privates Interesse gefährdet.
Auch den Parlamentariern war diese Problematik aufgefallen. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper räumte ein, dass die Abwägung für Beamte schwierig sei, ist in den Protokollen der Sitzung nachzulesen: „Plump gesagt: Was kann ich rausgeben, was nicht? Diese Abwägung ist nicht einfach. Deshalb werden wir sehr genau hinsehen und dort, wo Rechtssicherheit nachgeschärft werden muss, nachbessern.“
Die FPÖ wiederum warnte, dass der persönliche Druck auf öffentlich Bedienstete so hoch sei, dass diese im Zweifel kaum Informationen preisgeben würden. Das Gesetz sei damit „gut gemeint, aber nicht gut gemacht“.
Anwalt Knyrim hält die Situation für kontraproduktiv: „Man hätte als Gesetzgeber vielleicht eine bessere Lösung finden können. Beamte über eine Informationsherausgabe entscheiden zu lassen, die persönlich unter einer Strafdrohung stehen, kann der Informationsfreiheit nicht dienlich sein.“
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