Wie die neue Infofreiheit in der Praxis funktioniert

Morgen um 7 Uhr früh ist für Amtsleiter Reinhard Haider im Gemeindeamt Kremsmünster Tagwache. Eine Stunde später, um 8 Uhr, wollen er und seine Mitarbeiter die ersten Dokumente online gestellt haben. Das Amtsgeheimnis ist schon ab Schlag Mitternacht am 1. September Geschichte, und es gilt das Informationsfreiheitsgesetz.
Die Vorbereitungen waren „intensiv“, sagt Haider – und das ist wohl eine Untertreibung. Neue digitale Tools mussten beschafft, Mitarbeiter eingeschult und Unsicherheiten zur Gesetzeslage besprochen werden. „Es gibt Gemeinden, die warten noch ab, wie es sich in der Praxis bewährt. Wir aber wollen gleich losstarten und ausprobieren. Auch, um unsere Erfahrungswerte zu teilen“, erklärt der Amtsleiter von Kremsmünster – der, wie er sagt, „digitalsten Gemeinde Österreichs“.
Pionier war die Gemeinde schon bei der Künstlichen Intelligenz. Ein Chatbot namens „Kremsi“ kommuniziert auf der Website mit Bürgern und beantwortet Fragen rund um das Leben in der Marktgemeinde.
Noch viele Unsicherheiten
Auch auf das Infofreiheitsgesetz freut sich Haider, das hört man ihm an. „Ich bin grundsätzlich für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Die Informationen gehören den Menschen, sie bezahlen ja dafür mit ihren Steuern“, sagt er. Wissend, dass es nicht alle seine Kollegen so positiv sehen.
Wie also läuft das mit der Infofreiheit ab 1. September ab? Die erste Säule ist die proaktive Veröffentlichungspflicht, wonach alle Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern Informationen, die von allgemeinem Interesse sind, veröffentlichen müssen. Das gilt etwa auch für Studien oder Gutachten und Aufträge ab dem Wert von 100.000 Euro. Das seit mehreren Jahren bestehende Portal data.gv.at wird entsprechend befüllt. Informationen, die schon auf der Website der Gemeinde stehen, müssen nur noch verlinkt werden.

Reinhard Haider
Die zweite Säule sind die Individualanfragen. Es reicht ein formloser Antrag – auch ein eMail oder Anruf beim Amt, wobei Haider von Letzterem eher abrät. Gerade in der Anfangszeit dauere die Auskunft wohl etwas länger. Die Sorge mancher NGOs, dass Beamte eher zu vorsichtig sein könnten, kann der Amtsleiter nachvollziehen. Wie gesagt: Das Gesetz stecke noch voller Unsicherheiten. Verwaltungsbeamte riskieren dienstrechtliche Konsequenzen, wenn sie zu viel verraten, etwa personenbezogene Daten.
Extra recherchiert wird nichts
Datenschutz und andere Gesetze, die eine Geheimhaltung vorsehen, gelten weiter, weshalb der Informationsfreiheit Grenzen gesetzt sind. Wer etwa wissen will, wer da auf einem leeren Grundstück baut, muss mit einer Abfuhr rechnen. Nur Nachbarn haben Parteienstellung und damit das Recht auf Einsicht ins Bauverfahren. Bei Vergabeverfahren könnte die Gemeinde Unterlagen aus dem Gemeinderat zur Verfügung stellen. Aber auch nur jene, die keine Geschäftsgeheimnisse beinhalten, etwa Preiskalkulationen von Bewerbern.
Generell gilt: Herausgegeben werden nur vorhandenen Informationen, extra recherchiert wird nichts.
"Es werden sich viele Juristen den Kopf zerbrechen"
Amtsleiter Haider glaubt, dass in vielen Fällen entweder auf data.gv.at oder eine andere Website verwiesen werden kann. Deshalb ist er auch zuversichtlich, was den Aufwand betrifft. Eine nennenswerte Anzahl individueller Anfragen dürfe es wohl nur bei Gemeinden geben, die kleiner sind als 5.000 Einwohner, weil sie die proaktive Veröffentlichungspflicht nicht trifft. Freiwillig veröffentlichen dürfen aber auch sie.
Der heikelste Teil: Was, wenn eine Anfrage abgelehnt oder nicht ausreichend beantwortet wird? Der Betroffene kann sich dagegen beim Landesverwaltungsgericht beschweren, die nächste Instanz ist der Verwaltungsgerichtshof. Haider ist gespannt: „Es werden sich viele Juristen den Kopf zerbrechen müssen, was richtig ist und was falsch, und ich gehe auch davon aus, dass das Gesetz irgendwann reformiert werden muss.“
Veröffentlicht wird Montagfrüh in Kremsmünster übrigens ein Verkehrsgutachten. Welches genau, verrät Haider nicht. Noch gilt ja das Amtsgeheimnis.
Das Amtsgeheimnis steht seit 1925 in der Verfassung. Mit 1. September 2025 wird es abgeschafft und durch das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ersetzt. Betroffen sind Verwaltungsorgane von Bund, Ländern und Gemeinden sowie mit der Verwaltung betraute Stellen, zudem Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmen unter der Kontrolle eines Rechnungshofes. Börsennotierte sind ausgenommen.
2.093 Gemeinden gibt es in Österreich. Jene mit weniger als 5.000 Einwohnern müssen nicht proaktiv veröffentlichen, aber auf Anfrage. Die Datenbank finden Sie unter data.gv.at.
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