Die größten Streitpunkte bei der Reform der Sozialhilfe

9.000 Euro für eine syrische Familie mit elf Kindern, obwohl beide Elternteile keiner Arbeit nachgehen: Fälle wie dieser aus der Bundeshauptstadt Wien sollen künftig nicht mehr möglich sein. Türkis-Rot-Pink will erstens ab 2027 die Sozialhilfe bundesweit einheitlich regeln. ÖVP und Neos pochen zudem auf eine dreijährige „Integrationsphase“, die eine niedrigere Sozialhilfe für Zuwanderer als Einheimische vorsieht.
Bereits nach den ersten Verhandlungsmonaten zur „Sozialhilfe Neu“ wird klar: Eine schnelle Lösung käme überraschend. Erstens, weil politisch noch viele Details offen sind. Zweitens, weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Reformen kippen könnte.
Ein Überblick über die größten Knack- und Streitpunkte:
Integrationsphase
Diesen Teil des Pakets haben ÖVP, SPÖ und Neos bereits im Mai präsentiert. Asylberechtigte sollen künftig erst nach einer Wartefrist von drei Jahren vollen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Für diesen Zeitraum soll eine „Integrationsbeihilfe“ die Sozialhilfe ersetzen.
Das Problem, auf das vor zwei Wochen bereits Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) hinwies: Laut Rechtsexperten, auch aus dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, ist es laut EU-Recht nicht möglich Schutzberechtigte pauschal schlechter zu stellen als Österreicher. Daran ändere auch die Statusverordnung der EU, die ab Mitte 2026 gilt und auf die Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) verweist, nichts, meinte Verfassungsjurist Peter Bußjäger gegenüber Ö1.
Heißt: Eine Schlechterstellung Asylberechtigter müsste auch für Österreich gelten. Wo wohl unterschiedliche Regeln möglich wären: Die Regierung könnte die Höhe der Sozialhilfe daran koppeln, ob Asylberechtigte effektiv an Integrationsmaßnahmen teilnehmen. Das wäre eigentlich zusätzlich geplant: Wer Deutsch- und Wertekurse nicht besucht, dem sollen künftig Geldstrafen drohen.
Vereinheitlichung
Grundsätzlich sind im Sozialhilfe-Gesetz Maximalbeträge vorgesehen. Paare dürfen beispielsweise einen monatlichen Betrag für maximal 1.693 Euro erhalten.
Eine österreichweit generell gleiche Höhe der Sozialhilfe sei „schwer vorstellbar“, betont Tirols Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ). Sie verweist auf die unterschiedlich hohen Wohnkosten in den Ländern.
Mehrkindbeiträge
Der Knackpunkt bei der Vereinheitlichung: Wie hoch die zusätzliche Leistung für Kinder ist, können die Länder selbst bestimmen – die Unterschiede sind teils gravierend. In Wien, Salzburg, Kärnten und dem Burgenland gibt es für jedes Kind gleich viel Geld – wobei Großfamilien in Wien mit 326 Euro pro Kind am besten aussteigen. In den anderen Ländern gibt es je nach Anzahl der Kinder geringere, gestaffelte Leistungen. Das Wiener Modell gilt als Mitgrund, warum derzeit von bundesweit 1,1 Milliarden Euro an Sozialhilfezahlungen pro Jahr 807 Millionen auf die Hauptstadt entfallen.
Wien hat übrigens nun reagiert und die Mietbeihilfe für Familien mit mehr als fünf Kindern gekürzt. Für eine bundesweit einheitliche Staffelung – Niederösterreich und Oberösterreich sind hier besonders restriktiv – plädiert jedenfalls die ÖVP. Außerdem soll die Familienbeihilfe künftig an die Sozialhilfe angerechnet werden, um zu hohe Bezüge für Großfamilien zu verhindern.
Jedenfalls ist juristische Sorgfalt geboten: Das damalige ÖVP-FPÖ-Modell für eine bundeseinheitliche Staffelung hat der VfGH 2019 gekippt.
Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung, eine zentrale Forderung von SPÖ-Chef Andreas Babler, soll ebenso Teil des Pakets werden. Die Regierung will in erster Linie auf Sachleistungen setzen – zum Beispiel Betreuungsangebote oder die von Babler propagierte gesunde Mahlzeit für Kinder.
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