Hilfswerk-Präsident Karas: Wohnsitz darf nicht über Pflege entscheiden

Geht alles nach Plan, dann wird Othmar Karas, heute, Freitag, von der Generalversammlung des Hilfswerks erneut zum Präsidenten gewählt. Seit 1998 ist der frühere Erste Vizepräsident des EU-Parlaments nun Vorsitzender der größten NGO im Bereich der Pflege zu Hause. 10.000 Mitarbeiter arbeiten in sieben Bundesländern für das Hilfswerk. Und mit dem Blick auf die regional durchaus unterschiedlichen Erfahrungen plädiert Karas im Gespräch mit dem KURIER dafür, die Pflege-Thematik in einigen Bereichen völlig neu zu denken.
„Laut einer von uns initiierten Umfrage sind 95 Prozent der Österreicher überzeugt, dass sich der Staat viel mehr um Menschen kümmern muss, die zu Hause leben und von mobilen Diensten unterstützt werden. Ich höre diesbezüglich aber keine Debatte, es ist mir viel zu leise!“, sagt Karas.
Zu den fast schon erschreckenden Ergebnissen der erwähnten Umfrage gehört, dass nach wie vor 58 Prozent der Betroffenen sagen, die Entscheidung für die von ihnen in Anspruch genommene Form der Pflege-Unterstützung sei nicht nach den eigenen Vorstellungen passiert.
Anders gesagt: Sechs von zehn Betroffenen sagen, dass sie sich die Art und Weise, wie in ihrem Haushalt betreut bzw. gepflegt wird, so nicht ausgesucht hätten.
Woran das liegt, das macht Karas in vielen Bereichen an einem Wort fest: dem „Fleckerlteppich“.
„Bis heute entscheidet der Wohnsitz, wie bzw. in welcher Qualität Menschen gepflegt werden. Das ist ungerecht und darüber gilt es zu reden“, sagt Karas.
Auf die Details, also ob nun der Bund, die Länder oder die Gemeinden die Verantwortung für das Pflegewesen tragen sollten, will sich der langjährige Politiker nicht einlassen.
„Tatsache ist, dass wir an Diskussionen wie dem Streit um die Gastpatienten zwischen einzelnen Bundesländern gesehen haben, dass wir künstliche Grenzen errichten, wo überhaupt keine sein dürften.“
Karas fordert, dass die Pflege und die entsprechenden Angebote vom Standpunkt der Betroffenen aus gedacht und gemacht werden. Ein Beispiel sind für den Hilfswerk-Präsidenten die pflegenden Angehörigen. „Ohne sie ist die Pflege zu Hause überhaupt nicht denkbar und zu schaffen. Und dennoch muten wir es pflegenden Familien immer noch zu, dass sie mit bis zu zehn verschiedenen Behörden Kontakt halten müssen. Das gilt es dringend zu vereinfachen.“
Ebenfalls für entbehrlich hält Karas die regionalen Unterschiede bei der Qualität der Pflege. „Es müssen österreichweit gültige, einheitliche Versorgungsstandards etabliert werden. Denn auch hier hängt es noch immer von der Postleitzahl ab, wie gut jemand betreut wird.“
Was den Bedarf an Arbeitskräften angeht, plädiert Karas für schonungslose Offenheit: „Aufgrund der demografischen Entwicklungen müssen wir ganz klar sagen: Ohne qualifizierte Migration im Pflegebereich werden wird den Bedarf an Arbeitskräften einfach nicht decken können.“
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