Helft den dicken Kindern!
Heute, Montag, ist also „Welt-Adipositas-Tag“. Und angesichts der Entwicklung, die Österreich und die zivilisierte Welt beim Thema Fettsucht nehmen, darf man getrost festhalten: Dieser Aktionstag ist in etwa genauso relevant wie der Welt-Toilettentag oder die internationalen Aktionstage für Seegras und Thunfisch, nämlich: gar nicht.
Niemand schert sich um den Welt-Adipositas-Tag. Wie sonst lässt sich erklären, dass mehr als die Hälfte der Österreicher übergewichtig bis fettleibig ist, und dass in Wiener Volksschulen beinahe die Hälfte (!) der Acht- bis Elfjährigen als auffallend bis krankhaft dick eingestuft werden muss?
Der trivialen Tatsache, dass Kinder gerade im Tablet-Zeitalter besonders von regelmäßiger Bewegung und Sport, von frischer Luft und analogen Erlebnissen profitieren, wird in der Praxis schlicht nicht Rechnung getragen.
Noch immer gibt es Kindergärten, in denen fadenscheinige Argumente wie „schlechtes Wetter“ dafür herhalten müssen, dass die Kleinsten eben nicht jeden Tag möglichst viel Zeit laufend und spielend im Freien verbringen.
Noch immer gibt es Schulen, in denen die ohnehin raren Turnstunden einfach ganz entfallen oder mit „Video-Stunden“ suppliert, also ersetzt, werden, weil es – wem auch immer – zu mühsam erscheint, Pubertierenden die Begeisterung für Bewegung oder das eigene Körpergefühl zu vermitteln bzw. beizubringen.
Von der täglichen Turnstunde wollen wir erst gar nicht reden. Auch sie ist Politik und Gesellschaft offenbar egal. Andernfalls würde man nicht herumphilosophieren, es gäbe sie längst – und zwar flächendeckend.
So lange Österreich und andere hoch entwickelte Länder die Gefahr des Bewegungsmangels bei übergewichtigen Kindern nicht annähernd ernst nehmen, erübrigen sich auch zahlreiche andere Debatten.
Brauchen wir eine Reform des Gesundheits-, des Pflege- und Pensionssystems?
Vermutlich brauchen wir das.
Das Problem ist nur: Wir haben die Rechnung ohne die Hunderttausenden Pflichtschüler gemacht, die schon heute schwer übergewichtig sind und in naher Zukunft echte Probleme haben werden.
Das ist nicht pessimistisch, sondern die statistische Realität: Sechs von zehn Fettleibigen entwickeln binnen weniger Jahre einen Diabetes. Fettleibige werden öfter depressiv, bekommen öfter Krebs, erleiden häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Wirbelsäule und Gelenke werden schneller kaputt und, und, und. Es ist furchtbar, aber: Dicke Kinder haben ein in vielerlei Hinsicht mühsames Leben vor sich. Ihnen muss rasch und mutig geholfen werden.
Und im Idealfall kann das offizielle Österreich 2040 ohne Sarkasmus verkünden, dass wir den Welt-Adipositas-Tag so nicht mehr brauchen – weil es das Problem nicht mehr gibt.
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