Faßmann zur Wissenschaft: "Müssen in der Champions League spielen"

Heinz Faßmann
Akademie-Präsident Heinz Faßmann über den Schaden, den Angriffe auf die Forschung in den USA verursachen, und warum wir beim "Innovationstreibstoff" Wissenschaft nicht sparen sollten.

Heinz Faßmann ist seit Juli 2022 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der größten Forschungseinrichtung außerhalb der Universitäten.

KURIER: In den USA nehmen Angriffe der Trump-Administration auf die freien Universitäten zu. Forscher sorgen sich, kontroverse Meinungen laut zu sagen. Wie erleben Sie das?

Heinz Faßmann: Als Akademie der Wissenschaften haben wir viele Mitglieder, die in den USA leben, dort arbeiten und uns auch regelmäßig über die Situation berichten. Viele haben anfangs noch gedacht, na ja, das wird schon nicht so schlimm werden. Doch die Stimmung hat sich Monat für Monat verschlechtert. Heute herrscht tatsächlich Angst an den Universitäten. Die Einflussnahme der Politik ist sehr groß, auch an den privaten Universitäten, über unterschiedlichste Maßnahmen – nicht immer geht es nur um Geld, sondern beispielsweise auch um Drohungen, Visa für Forschende nicht auszustellen. Die Verstörung in den USA ist sehr groß.

Was wollen diese Gruppen rund um Trump?

Es geht um die Durchsetzung eines Weltbildes, einer ganz spezifischen Ideologie, wo man Dinge wie „Wokeness“ als unwichtig oder übertrieben erachtet. Und Trump will mit den Unis Deals machen, das ist sein Stil. Er sagt, wenn du meine Vorstellungen nicht erfüllst, bekommst du kein Geld mehr. Da geht es um die sehr spezifischen Interessen dieser republikanischen Elite.

Ein Vorwurf ist, dass die „linken“ Unis indoktrinieren oder manipulieren?

Es sollte in der Akademia immer nur um den Wettbewerb von Ideen, Theorien und Erkenntnissen gehen, die sich in Diskussionen und Diskursen durchsetzen. Indoktrination passt nicht und passiert in der Regel auch nicht. Da würde ich den Begriff der Indoktrination ohnehin nie für richtig erachten.

Aber sollte die Politik nichtsagen dürfen, worüber geforscht wird, und worüber nicht?

Im Augenblick, wo die Politik glaubt, sie wisse, was Zukunft bedeutet, ist es schon nicht mehr Zukunft. Dahingehend ist die Freiheit der Wissenschaft und der wissenschaftlich tätigen Personen extrem wichtig. Bei uns ist sie ein hohes Gut, in den USA auch, aber sie wird derzeit stark attackiert.

Heinz Faßmann

Welche Auswirkungen werden diese Angriffe auf die US-Spitzenforschung haben?

Sie richten sicherlich langfristigen wirtschaftlichen Schaden an. Ich nenne ein Beispiel: Die mRNA-Technologie spielt bei Impfungen eine große Rolle und wird auch in die Krebstherapie hineinreichen. Dass jetzt mRNA-Forschungsgelder massiv reduziert werden, wird die Pharmaindustrie und die USA noch empfindlich treffen. Für mich ist überraschend, wie wenig resilient das politische System in den USA ist. Da genügen einige wenige Personen an den Schalthebeln, die ihre Vorurteile haben und ein anderes Weltbild verfolgen, und sie können ein gewachsenes System wirklich erheblich stören.

Nehmen Sie solche antiwissenschaftlichen Strömungen auch bei uns wahr?

Naja, ab und zu taucht so etwas auf: „Brauchen wir das überhaupt?“, „Ist das wichtig?“ und so weiter. Das muss man abwehren, weil die Freiheit der Forschenden die Quelle für wirklich disruptive Forschung ist.

Warum gelingt es der Wissenschaft so schlecht, ihre Entdeckungen bekannt zu machen? Ozempic geht auf Forschungen zur Krustenechse zurück, ein Brustkrebswirkstoff stammt aus der Eibenrinde.

Ich stimme Ihnen zu, dass es zu wenig gelingt, der Gesellschaft vor Augen zu führen, dass alles, was uns umgibt, was das Leben angenehmer und planbarer macht und uns hilft, Krankheiten zu besiegen, irgendetwas mit Forschung zu tun hat. Die Lösung ist: Sich öffnen, hinausgehen, erklären, was wir machen, mit einfachen Worten, und den Elfenbeinturm verlassen. Wir haben jetzt mit der TU Wien und der Uni Wien ein „Austrian Science Communication Center“ gegründet, wo man mit und über die Wissenschaft sprechen wird, um gerade junge Menschen zu erreichen.

Die Regierung will die Quote für Forschung und Entwicklung auf vier Prozent anheben, wir sind derzeit bei 3,4. Aber kann man das fordern, wenn alle sparen müssen?

In der schwierigen Situation, in der wir uns jetzt befinden, haben auch die ÖAW und der gesamte Forschungssektor seine Sparleistung gebracht. Aber die Debatte darf sich nicht nur um das aktuelle Budget drehen, wir müssen länger vorausblicken. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen: Wohin will diese Republik? Eine Republik mit mäßigen Bodenschätzen kann ihren Wohlstand nur über gut ausgebildete Menschen, eine exportstarke Industrie und einen erfolgreichen Forschungssektor erwirtschaften. Bildung, Wissenschaft und Forschung sind die Wachstumsmotoren. Gerade in Zeiten, wo der Wirtschaftsmotor stottert, darf man beim Innovationstreibstoff nicht sparen.

Aber warum soll der Staat überhaupt in Wissenschaft und Forschung investieren?

Ich kenne kein System, auch kein sehr marktwirtschaftlich organisiertes, wo nicht die öffentliche Hand die Grundlagenforschung finanziert. Wenn sich die Grundlagenforschung in die Abhängigkeit der Industrie oder des Marktes begeben würde, wäre sie nicht mehr themenoffen, sondern müsste den Interessen des Kapitalgebers folgen. Dann wäre es nicht möglich, einen Wirkstoff in einer Baumrinde zu finden, weil jeder Kapitalgeber sagen würde: „Unsinn, machen Sie doch etwas Vernünftiges.“ Grundlagenforschung braucht öffentliche Gelder, weltweit.

Bleibt uns Geld, um den Plan zu verfolgen, US-amerikanische Forscher abzuwerben?

Ja, da sind wir erfolgreich, weil wir gute Forschungsumgebungen bieten können. Die ÖAW konnte bereits Forschende von renommierten Institutionen wie MIT oder Harvard anwerben. Genau aus diesem Grund müssen wir vorsichtig sein, dieses Erfolgskapitel, das wir in den letzten 20, 30 Jahren geschrieben haben, nicht durch Ansagen wie „Wir müssen auch bei der Forschung sparen“ zu gefährden, weil das Sparen in Wirklichkeit als Kürzung verstanden wird. Wenn man die Besten anwirbt, wie beim Fußball, dann kann man auch in der Champions League mitspielen. Und dort müssen wir mitspielen.

Deshalb will EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Forschungsgelder verdoppeln?

Und damit ist sie am richtigen Weg. Im globalen Vergleich sinkt die Bevölkerungszahl unseres Kontinents. Wir verlieren an Wirtschaftskraft, wir fallen auch bei den wissenschaftlichen Indikatoren, wie Patenten und Publikationen, zurück. Europa verliert. Und wenn wir nichts dagegen tun, dann haben wir als ein alternder Kontinent das Nachsehen, mit all den sozialpolitischen, aber auch finanziellen Folgen.

Die USA galten immer als Forschungsstandort Nummer 1. Wie entwickelt sich das weltweit?

China hat enorm aufgeholt. Das sehen wir auch bei den Uni-Rankings. Da dominieren – noch – US-amerikanische Unis, die chinesischen Hochschulen verbessern sich massiv und Europa ist gerade noch mit einigen Eliteuniversitäten vertreten. Europa verliert auch hier an Stellenwert.

Könnten Sie sich eigentlich vorstellen, als Bundespräsident zu kandidieren?

Das ist eine ehrenhafte Frage, aber nein, ich strebe kein politisches Amt mehr an. Ich bin sehr froh, hier als Präsident der österreichischen Akademie tätig zu sein. Ich würde wahrscheinlich für gute Pressefotos sorgen, wenn die Staatenlenker dieser Welt auf Österreich hinaufblicken müssten. Aber das ist eine Perspektive, die sich mir nicht stellt.

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