Glawischnig: "Rückzug ins Nationale brandgefährlich"
Die Grünen stellen die Europapolitik in den Mittelpunkt ihrer parlamentarischen Herbstarbeit. Die einzige Chance Europas in einer globalisierten Welt sei es, die europäischen Strukturen zu reformieren und zu stärken, sagte Klubobfrau Eva Glawischnig zum Auftakt der Klubklausur in Mauerbach. Rechtspopulisten von der FPÖ bis zum Front National erteilte sie eine Absage.
"Der Rückzug ins Nationale ist brandgefährlich", warnte Glawischnig. Das britische Brexit-Referendum stelle eine Zäsur dar, denn in vielen Ländern werde nun von den Rechtspopulisten auf Austrittsreferenden hingearbeitet. Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer habe Front-National-Chefin Marine Le Pen, die die Zerstörung der EU offen anstrebe, kürzlich nicht nur die Hand geküsst, sondern sich auch vor ihren Ansichten verbeugt.
Chaos in Großbritannien
"Wir werden uns alle noch wundern, wie schnell die FPÖ, wie schnell Norbert Hofer und wie schnell (Parteichef Heinz-Christan, Anm.) Strache nach der Wahl am 4. Dezember wieder zu diesen Austrittsreferenden zurückkehren werden", warnte die Grüne. Man müsse klar machen, was dies bedeute, nämlich einen Schaden für die Wirtschaft und Einkommensverluste für die Menschen. In Großbritannien herrsche politisches Chaos, das Land habe seine Kreditwürdigkeit verspielt, und auch die Hasskriminalität habe deutlich zugenommen.
Die Identität der Rechtspopulisten sei in ganz Europa die gleiche, meinte Glawischnig. Im Mittelpunkt stehe Islamfeindlichkeit, ein Eintreten gegen Flüchtlinge und für einen Zuwanderungsstopp, eine radikale Abwendung von allen internationalen Institutionen, aber das auch das Auftreten gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Klimakonvention. "Am liebsten, habe ich den Eindruck, würden sie noch Stacheldraht über die Länder drüberspannen, bei all den Zäunen, die sie schon aufgestellt haben."
Reform der EU gegen "Programm der Zerstörer"
Mit der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheiten" habe man im Europaparlament sehr starke Gegner, so Glawischnig. Man müsse ausführlich diskutieren, was deren Programme beinhalteten: "Das bedeutet für Millionen von Menschen in Europa den Verlust ihres Arbeitsplatzes, den Verlust der sozialen Sicherheit und den Verlust von Zukunftschancen."
Die Vision der Grünen als Gegenbild zum "Programm der Zerstörer" ist eine Reform der EU. Glawischnig sprach sich für mehr Demokratie auf EU-Ebene mit Etablierung eines Zwei-Kammern-Systems aus. Der Rat solle eine echte Länderkammer werden, gemeinsam mit dem Europaparlament solle er die Legislative stellen. Notwendig sei auch die viel tiefere Integration von Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik der EU. Zudem brauche es die Grundsatzentscheidung für eine Dekarbonisierung, also dem Ausstieg aus Öle, Kohle und Gas bis 2050.
Als dritte Säule nannte sie den Sozialbereich. Es gehe um den Ausgleich der Einkommensunterschiede. Man brauche Mindeststandards bei Löhnen, Krankenversicherung, Pensionen sowie europaweite Grundsicherung. Österreich müsse sich offensiv für all dies einsetzen, statt "Scheindebatten" über Ein-Euro-Jobs oder Burkaverbote zu führen, forderte Glawischnig.
Leopoldstadt-Ergebnis für Glawischnig gutes Omen
Glawischnig wertet den Wahlsieg ihrer Partei bei der Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt als "sehr gutes Omen" für die auf den 4. Dezember verlegte Bundespräsidentenwahl. Das Ergebnis sei eine "schöne Überraschung", aus der man Zuversicht und Mut auch für kommende verschobene Wahlwiederholungen ziehen könne, sagte sie am Montag bei der Grünen Klubtagung.
Der Sieg im zweiten Wiener Gemeindebezirk zeige, "dass es geht, wenn man läuft". Die Grünen hätten sich im Bezirkswahlkampf stark engagiert. Ein Vergleich der beiden Wahlen sei in jener Hinsicht möglich, dass sich die Zuspitzung ähnlich darstelle: "Es war eigentlich ein Match zwischen FPÖ und Grünen", so die Partei- und Klubchefin. "Natürlich kann man es nicht übertragen, aber es heißt einfach, dass es eine gute Wahlbewegung und viel Engagement braucht, um Wahlen zu gewinnen."
Bezüglich der Siegeschancen ihres Vorgängers an der Spitze der Grünen, Alexander Van der Bellen, bei der Präsidenten-Stichwahl am 4. Dezember zeigte sie sich zuversichtlich. "Van der Bellen war sehr gut unterwegs, ich war mir sicher, dass er den 2. Oktober gewonnen hätte. Jetzt dauert es halt noch ein paar Wochen länger. Das wird uns nicht davon abhalten, ihn zu unterstützen wie ganz viele andere auch in Österreich."
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