Ziviler Ungehorsam: NGOs fürchten um Steuerprivileg

Es wäre eigentlich eine tolle Sache: Die Regierung will gemeinnützige Organisationen unterstützen, indem sie die Voraussetzungen für die Absetzbarkeit von Spenden ausweitet. Künftig sollen etwa auch Spenden an Bildungs- und Sportvereine absetzbar sein. Das Spendenaufkommen lag bereits 2022 auf einem Rekordniveau von 1,1 Milliarden Euro – Ziel ist, dass jetzt noch mehr Menschen noch mehr spenden.
Doch statt Lobeshymnen schlug der türkis-grünen Regierung bei der Präsentation am Donnerstag Kritik entgegen: Greenpeace war durch ein Rechtsgutachten dahinter gekommen, dass NGOs die Spendenbegünstigung verlieren könnten, wenn sie zivilen Ungehorsam leisten.
➤ Gemeinnützigkeitsreform: Greenpeace schlägt Alarm
Konkret geht aus dem Gesetzestext hervor, dass die systematische und methodische Begehung von strafbaren Handlungen ein Ausschlusskriterium sei. Ein Beispiel wären etwa Klimakleber, die bei ihren Verkehrsblockaden regelmäßig Strafen kassieren, oder auch Tierschützer, die in Ställe einbrechen.
Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass Finanzbeamte nach eigenem Ermessen über den Verlust des Steuerprivilegs entscheiden und dies keine aufschiebende Wirkung hat. Die Sanktion tritt also sofort in Kraft – auch, wenn man sich rechtlich dagegen wehrt.
Grüne als „Handlanger“
„Es ist wenig überraschend, dass die Parteispitze der ÖVP ihnen unbequemen Protest unterbinden will“, sagt Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. „Dass sich aber die Regierungsmitglieder der Grünen zum Handlanger eines massiven Angriffs auf zivilgesellschaftliche Organisationen machen, ist schärfstens zu verurteilen.“ Greenpeace fordert die Grünen im Nationalrat auf, dem Gesetz noch „die Giftzähne zu ziehen“. Der Beschluss ist für Dezember geplant.
➤ Leitartikel: Sind Klimakleber gemeinnützig?
Die Kritik wiesen Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bei der Präsentation als „unbegründet“ zurück. „Juristen, die wir damit befasst haben, teilen diese Sorgen nicht“, sagte Kogler. Er selbst habe schon zivilen Widerstand geleistet (Stichwort Hainburg); dieser sei aus seiner Sicht auch ein legitimes Mittel.
Brunner betonte den „Vertrauensschutz“ der Spender: Nur Organisationen, die nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehen, würden ausgeschlossen. Er geht davon aus, dass dies bis auf Einzelfälle „kein Thema sein wird“.
Spenden für Strafen
Die Kritik am fehlenden Aufschub (Experten meinen, das könnte verfassungswidrig sein) nimmt der Finanzminister aber ernst: „Rechtssicherheit ist uns enorm wichtig, deshalb schauen wir uns das im Detail noch an.“
Etwas weniger Scheu, auszusprechen, was NGOs befürchten, hat da schon ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger, der das Gesetz federführend mitverhandelt hat. Auf KURIER-Nachfrage, ob Klimakleber negativ betroffen sein könnten, sagt er: „Bei einer einmaligen Übertretung nicht, aber wenn es systematisch passiert – ja, dann schon.“ Es gehe darum, dass Strafen nicht mit steuerbegünstigtem Geld bezahlt werden sollen. Hanger betont aber das grundsätzliche Ziel, „Gemeinnützigkeit zu stärken und das Spendenaufkommen deutlich zu erhöhen“.
Die Klimakleber beeindruckt das übrigens wenig. Spenden an die „Letzte Generation“ sind derzeit nicht steuerbegünstigt. Und man sei sich auch nicht sicher, ob dies nach der Neuregelung angestrebt wird, sagt eine Sprecherin. „Es ist für uns keine Priorität.“
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