Franz Plöchl. Der Chef von Weisungsrat und Generalprokuratur geht in Pension. Zum Abschied spricht er über Kritik an der Fachaufsicht bei Strafverfahren und über mangelnden Respekt – nicht nur in der Justiz
Franz Plöchl, Chef der Generalprokuratur und Vorsitzender des Weisungsrates, räumt gerade sein Büro im Justizpalast. Am edlen, antiken Tisch im Besprechungszimmer saß er vor einigen Wochen mit zwei seiner Weisungsrat-Kollegen, um final den Strafantrag gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz zu begutachten. Für das Interview mit dem KURIER nimmt er dort noch einmal Platz – vielleicht zum letzten Mal. Ende August geht der 65-jährige Oberösterreicher in Pension.
KURIER:Die Causa Falschaussage gegen Ex-Kanzler Kurz wurde eineinhalb Jahre lang ermittelt und dann noch ein halbes Jahr in der Fachaufsicht geprüft. Warum hat das so lange gedauert?
Franz Plöchl: Ermittlungen müssen immer sorgsam und qualitätsvoll geführt werden. Wie lange das dauert, hängt von vielen Faktoren ab. Ich kann nicht für die anderen Stellen sprechen, aber im Weisungsrat haben wir zwei Sitzungen im Abstand von drei Wochen gebraucht.
Wie geht es Ihnen mit der öffentlichen Aufmerksamkeit, spüren Sie da einen Druck?
Druck? Auf mich? Nein, ich mache einfach meinen Job.
Franz Plöchl: geb. 1958 in Kefermarkt, OÖ, war Staatsanwalt, Justiz-Sektionschef und seit 2016 Leiter der Generalprokuratur
Die Generalprokuratur ist die höchste Staatsanwaltschaft der Republik und tritt als „Rechtswahrerin“ auf. So schreibt sie Stellungnahmen für den OGH oder erhebt „Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes“
Der Weisungsrat berät die Justizministerin bei Promi-Fällen im Zuge des Berichtswesens
Apropos Qualität: Es gab viel Kritik für die Anklagen gegen Christoph Chorherr und Heinz-Christian Strache, die mit Freisprüchen endeten. Nicht nur an der WKStA, auch an der Fachaufsicht. Stehen Sie noch hinter der Entscheidung, dass angeklagt wurde?
Ja. Bei einer Anklage muss man zu über 50 Prozent von einer Verurteilung ausgehen, ein Richter kann aber nur verurteilen, wenn er sich zu nahezu 100 Prozent sicher ist. Ein Freispruch bedeutet nicht, dass jemand etwas falsch gemacht hat, sondern dass der Rechtsstaat funktioniert.
Dass Chorherr als „Planungsstadtrat“ bezeichnet wurde, war aber ein klarer Fehler. Ist Ihnen das durchgerutscht?
Wir kriegen Berichte und prüfen, ob diese plausibel sind. Auf solche Fehler kommt man, wenn man als ganz letzte Stelle prüft, nicht immer drauf.
Sie finden also, die Fachaufsicht funktioniert? Die Kritiker liegen alle falsch?
Das kann ich nicht beurteilen, ich weiß nur: So ein Bericht geht durch viele Hände – bei der Oberstaatsanwaltschaft, im Ministerium und bei uns im Weisungsrat. Die Verantwortung, wie ein Verfahren geführt wird, beginnt in der Staatsanwaltschaft. Das kann man sicher evaluieren.
Die WKStA möchte am liebsten gar keine Fachaufsicht mehr. Das Argument lautet: Kontrolliert wird am Ende ohnehin durch die Gerichte. Was meinen Sie?
Das Berichtswesen ist ein Dauerthema, das war es schon in meiner Zeit als Standesvertreter. Ich bin der Meinung, es braucht im Vorfeld eine gewisse Kontrolle – auch, um eine einheitliche Linie sicherzustellen.
Die Regierung will einen Bundes- bzw. Generalstaatsanwalt. Damit wäre die Fachaufsicht ohnehin neu zu regeln, der Weisungsrat abgeschafft. Braucht es das wirklich?
Ja, wenn man bedenkt, dass Österreich eines der letzten Länder in Europa ist, wo die Staatsanwaltschaften nicht vom politischen Entscheidungsträger abgekoppelt sind.
Streitpunkt zwischen ÖVP und Grünen ist, ob eine Einzelspitze oder ein Dreiersenat über Strafsachen entscheiden soll. Was sagen Sie?
Ich war zu diesem Thema in der Arbeitsgruppe, die sich mehrheitlich für einen Dreiersenat ausgesprochen hat. Das entspricht der Praxis – im Weisungsrat entscheiden wir auch zu dritt. Aber klar ist auch: Es muss jemand für die Entscheidung verantwortlich sein. Momentan ist es die Ministerin, im neuen Modell bräuchte es wohl ein Pendant.
Also doch einen Bundes- bzw. Generalstaatsanwalt. Apropos: Welche Bezeichnung gefällt Ihnen besser?
Bundesstaatsanwalt gefällt mir nicht so sehr. Wir haben ja auch keine Landesstaatsanwälte.
Kurz zwei aktuelle Themen: Brauchen wir einen höheren Kostenersatz bei Freispruch?
Ja, auf jeden Fall. Die jetzigen Sätze decken nicht einmal annähernd die tatsächlichen Kosten der Verteidigung.
Nein, es gibt ja schon einen Pauschalkostenersatz für entstandene Verfahrenskosten.
Aber auch nicht in dem Ausmaß, was die Verfahren tatsächlich kosten. Nächstes Thema: Braucht es einen besseren Rechtsschutz bei Handysicherstellungen?
Ich könnte mir schon vorstellen, dass eine richterliche Genehmigung besser wäre.
Sie sind seit 40 Jahren in der Justiz tätig. Welche Entwicklung ist Ihnen aufgefallen?
Das Vertrauen in die Justiz war immer schwankend. Was man aber in allen Branchen merkt: Entscheidungen werden immer mehr angezweifelt. Ein Patient glaubt manchmal Google mehr als seinem Arzt. Bei Schülern gewinnt man den Eindruck, dass auch berechtigte Kritik von Lehrern weniger akzeptiert wird als früher. Etwas mehr Respekt und Sachlichkeit im Miteinander wäre wünschenswert.
Sie gehen Ende August in Pension, was haben Sie vor?
Lesen, Rad und Motorrad fahren, reisen, eine Sprache lernen – vielleicht Spanisch. Der Justiz werde ich als Stellvertreter des Rechtsschutzbeauftragten erhalten bleiben.
Kommentare