Überschattet die FPÖ-Finanzaffäre den blauen Wahlkampf?
Ausgangspunkt und Tatort ist die Stadt Graz. Dort ermittelt die Justiz mittlerweile seit zwei Jahren gegen ehemals hochrangige Vertreter der Stadt-FPÖ. Es geht um den Verdacht, dass Klubfördermittel für private Zwecke verwendet worden sind. Es geht also um den Vorwurf der Untreue, Veruntreuung bzw. des Fördermissbrauchs.
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Tatzeitraum sind die Jahre 2014 bis 2017. Unter den Hauptverdächtigen sind der ehemalige FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio sowie der frühere Klubobmann Armin Sippel. Und auch der ehemalige Finanzdirektor der Stadt-FPÖ, Matthias Eder, der durch eine Selbstanzeige die ganze Affäre erst richtig ins Rollen gebracht hatte. Er hinterlegte damals gleich 700.000 (!) Euro zur Schadenswiedergutmachung bei Justiz.
Noch vor Weihnachten tauchte ein Gutachten zur Affäre auf. Darin ist von 310.000 Euro zu lesen, die an Eustacchio geflossen sein sollen. Oder 90.000 Euro, die bei Sippel gelandet sind. Beide sind nach dem Auffliegen der Affäre zurückgetreten. In den kommenden Tagen wird ein weiteres Ergänzungsgutachten zu dem Fall erwartet.
Ermittlungen gegen Kunasek
Obwohl es eine Affäre der Grazer Stadt-FPÖ ist und sich die Freiheitlichen als Geschädigte sehen, ist auch Ex-Minister Mario Kunasek als Landesparteiobmann Mario Kunasek involviert. Ihm wird vorgeworfen, er habe von den Malversationen gewusst und sie bewusst nicht abgestellt. Kunasek hat das bei jeder Gelegenheit strikt zurückgewiesen.
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Er stimmt im Landtag auch seiner Auslieferung zu, damit alles rasch aufgeklärt werden könne. Wobei mehr als ungewiss ist, ob ihm tatsächlich eine strafrechtliche Verantwortung nachgewiesen werden kann. Dennoch wird das Thema sicherlich im Landtagswahlkampf auftauchen, da ihm - er wird Spitzenkandidat der Freiheitlichen sein - seine Gegner die politische Verantwortung für diese Malversationen anhängen wollen.
Bei einem Nebenschauplatz, der ebenfalls Landesparteiobmann betrifft, erwartet Landesparteisekretär Stefan Hermann "in absehbarer Zeit eine Einstellung“ des Verfahrens: Gegen Kunasek wird auch nach einer anonymen Anzeige ermittelt, die ihm vorwirft, er habe sein Haus über die Partei finanziert. In dem Punkt ist die Justiz immerhin schon weiter als in der Finanzaffäre: Ein Vorhabensbericht liegt bereits bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz, die über Anklageerhebung oder Einstellung des Verfahrens entscheidet.
Von Graz nach Klagenfurt
Im Rahmen der Affäre ist auch die Justiz in die Kritik geraten. Nach einem offenbar anonymen Schreiben kam eine mögliche Befangenheit der Staatsanwaltschaft Graz ins Gerede. Daraufhin wurde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt abgetreten. Warum dieser Schritt nicht gleich zu Beginn gesetzt worden ist oder gar die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA damit beauftragt wurde, ist ebenso für viele Beobachter ein Rätsel.
Für Diskussionen sorgt auch die Hausdurchsuchung bei Matthias Eder am 15. Oktober 2022, von der sein Anwalt zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt gewusst haben soll.
Neujahrstreffen mit Herbert Kickl
Die FPÖ jedenfalls lässt sich von der Finanzaffäre nicht beeindrucken. Bundesparteiobmann Herbert Kickl hält das traditionelle Neujahrstreffen diesmal in Premstätten bei Graz ab. Als Redner wird vor dem Auftritt von Kickl Mario Kunasek auf der Bühne stehen. In der FPÖ-Bundespartei jedenfalls sieht man den Ermittlungen gelassen entgegen. Das sei eine Angelegenheit der Grazer, wo man ja als Partei zu den Geschädigten zählt. Das wird schon seinen Lauf nehmen, heißt es aus Wien.
Sicher ist so etwas nicht förderlich, aber es ist auch nicht das Riesenproblem. Zumal wir es ja waren, die als erste Aufklärung verlangt haben
Für die steirische FPÖ ist das Ganze natürlich nicht angenehm. Wie sehr die Affäre die Landtagswahl beeinflussen wird, beantwortet FPÖ-Landesparteisekretär Stefan Hermann so: "Sicher ist so etwas nicht förderlich, aber es ist auch nicht das Riesenproblem. Zumal wir es ja waren, die als erste Aufklärung verlangt haben: Als Eders Selbstanzeige kam, waren wir es als Landespartei, die einen Wirtschaftsprüfer mit einem Gutachten beauftragt hat. Das hat dann festgestellt, es gibt noch weitere 1,2 Millionen Euro an unklaren Geldflüssen."
Langwierige Ermittlungen
Generell dauere das Verfahren "so lang, weil Gutachten in der extrem verworrenen, komplexen Geschichte noch auf sich warten lassen", konstatiert Hermann: Die auch medial bereits bekannt gewordene Expertise des Wirtschaftsprüfers Ingo Gruss sei "nur ein Zwischenbericht", worin außerdem weder die Landes-FPÖ noch Kunasek erwähnt würden, betont Hermann.
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Gruss hielt etwa im Dezember 2023 fest, dass er "ein hohes Maß an Verschleierungsenergie" bei den inkriminierten Geldflüssen an Eustacchio und Sippel festgestellt habe. Ob es demnach noch vor der Landtagswahl im November ein Ergebnis geben wird, ist eher unklar.
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