Die FPÖ versuchte mit dieser Demonstration, dem Bauernbund die Rolle als Bauernvertreter streitig zu machen. Dieser sieht nun den ausgebliebenen Großaufstand nach der Demo mit großer Genugtuung.
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Was sie wollten
Die Bauern sind mit durchaus unterschiedlichen Beweggründen nach Wien gekommen. Zum Beispiel? "So ganz weiß ich das nicht. Ich habe nur gehört, dass heute eine große Demo ist", sagt einer der Demonstranten. Mit einem verlorenen Blick schaut er zum Rednerpult. Die stark geschminkte Dame neben ihm hat schon eher eine Ahnung, wieso sie hier ist. "Ich bin gegen Satellitenüberwachung, ich bin gegen ukrainisches Getreide, ich bin gegen Vertical Farming. Aber vor allem bin ich hier für unsere Bauern." Neben diesen teils speziellen Sorgen, gibt es aber auch Landwirte mit lebensnahen Problemen.
Einer von ihnen erzählt: "Ich bin Schweinebauer. Allein diese Woche ist der Preis um sieben Cent pro Kilogramm gesunken. Auch die Unsicherheit beim Vollspaltenbödenverbot macht mir zu schaffen. Wir bräuchten eine richtige Frist." Zur Erklärung: Der Verfassungsgerichtshof hat kürzlich die 17-jährige Übergangsfrist gekippt, wonach alle Schweinebauern bis 2040 Zeit gehabt hätten, ihre Ställe mit Vollspaltenböden umzubauen. Nun muss es also schneller gehen.
Dann tritt Christian Tornehl, ein Vertreter des Freiheitlichen Bauernschaft, auf die kleine Bühne. Ratschen und Tröten übertönen ihn.
In seiner Rede warnt er vor einer angeblich nicht gegebenen Ernährungssicherheit in Österreich. Er spricht davon, dass 50 Prozent der Lebensmittel importiert werden müssen. Dass diese Zahl nicht stimmt, hinterfragt keiner der Anwesenden. Ein Blick auf die Seite des Bundesministeriums für Landwirtschaft widerlegt Tornehls Aussage: Der Selbstversorgungsgrad Österreichs lag 2020 bei Fleisch bei 112 Prozent, bei Milch bei 177 Prozent und bei Getreide bei 94 Prozent. Das einzige Grundnahrungslebensmittel, das zu 100 Prozent importiert werden muss, ist der Reis.
Die Leute jubeln, als FPÖ-Agrarsprecher Peter Schmiedlechner das Mikrofon in die Hand nimmt. "Ich bin Bauer mit Leib und Seele," ruft er. Schmiedlechner zeigte sich auch bei den deutschen Bauernprotesten in Berlin, marschierte dort mit AfD-Abgeordneten. Deutschlands Bauern fordern unter anderem höhere Subventionen – übrigens im Gegensatz zur AfD. Denn in ihrem Grundsatzprogramm steht: "Die AfD lehnt Subventionen generell ab. Wir wollen gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche."
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Verschwörungstheoretiker dabei
Konfrontiert mit diesem Fakt, antwortet Schmiedlechner nur: "Ich habe keine Ahnung vom AfD-Programm. Ich bin FPÖ-Politiker, kein AfD-Politiker und Bauer."
Als letzter Hauptredner tritt der Verschwörungstheoretiker Hannes Bejcha ans Pult. "Die letzten vier Jahre haben diese Leute da oben", er zeigt auf das Kanzleramt, "unsere Wirtschaft zerstört", brüllt er. Bejcha war eine zentrale Figur bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen 2021 und 2022. In seiner Rede gibt er ein Best-of der damaligen Auftritte zum Besten: Von unzähligen Impftoten bis dazu, dass Bill Gates der geheime Direktor der WHO wäre. Mit dem Aufruf nach Widerstand endet seine Rede. Die Menschen skandieren: "Widerstand! Widerstand! Widerstand!" Nach zweieinhalb Stunden ist der Spuk vor dem Kanzleramt allerdings dann wieder vorbei.
Kuriose Kickl-PK
Zu Bejchas Ausführungen passte ein Auftritt, den FPÖ-Chef Herbert Kickl Freitagnachmittag absolvierte. Anlass: Eine Buchpräsentation des Urologen Hannes Strasser, der Verschwörungsmythen zur Corona-Impfung verbreitet. Kickl behauptete, dass es der WHO nur darum gehe, "unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes ihre Pläne von einem ‚neuen Menschen‘ umsetzen zu wollen".
Hintergrund: Die 194 WHO-Staaten verhandeln derzeit über einen neuen, nicht bindenden Vertrag, um besser auf künftige Pandemien vorbereitet zu sein.
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