Tina Deutsch und Katharina Rogenhofer, Gründerinnen des Kontext-Instituts, wollen Themen wie Sicherheit und Wohlstand stärker mit Klimapolitik verbinden.
Katharina Rogenhofer und Tina Deutsch haben das Kontext-Institut gegründet. Im KURIER-Interview erklären Sie, warum auf der ganzen Welt Parteien gewinnen, die Klimaschutzmaßnahmen ablehnen und warum Klimapolitik durchaus eigennützige Vorteile für die Menschen hätte.
KURIER:Klimaschutz ist zunehmend schwer zu vermitteln, die öffentliche Debatte wird rauer. Wie erleben Sie das mit im Kontext-Institut?
Tina Deutsch: Es ist tatsächlich herausfordernd. Die Aufmerksamkeit für Klimathemen war im vergangenen Jahr nicht hoch, aber wir haben gesehen, dass man Interesse wecken kann, wenn man Klimapolitik mit den zentralen Bedürfnissen der Menschen verknüpft – Sicherheit, Wohlstand, Leistbarkeit. Und richtig spannend wird es, wenn man dann die Lösungsoptionen sieht.
Katharina Rogenhofer: Wenn Menschen nur hören, „die Lage ist schlimm“, dann führt das zu Resignation. Entscheidend ist, dass wir nicht nur Dringlichkeit vermitteln, sondern auch positive Handlungsoptionen. Eine Vision und konkrete Lösungen, damit Menschen ins Handeln kommen.
Dennoch sehen wir in Österreich und international, dass Parteien gewinnen, die Klimaschutz ablehnen oder zumindest stark ausbremsen. Woran liegt das?
Rogenhofer: Das hat wohl viele Gründe – sicher ist aber: Klima ist unter den Top 3 Themen, wo es am meisten Desinformation gibt, neben Corona und dem Ukrainekrieg. Das kommt nicht von ungefähr. Es gibt Thinktanks, wie das Heartland Institute in den USA, die gezielt Desinformation streuen, finanziert von der fossilen Industrie. Diese Taktik wird zunehmend nach Europa importiert. Die Strategie ist oft, nicht direkt zu leugnen, sondern Zweifel zu säen – das verlangsamt Maßnahmen erheblich.
Deutsch: Außerdem sollte man wissen: Alle großen Transformationsprozesse, egal ob gesellschaftlich oder in Unternehmen, gehen durch unterschiedliche Phasen. Und sie alle brauchen, um erfolgreich zu sein, eine Kombination aus Dringlichkeit und einer positiven Vision. Wenn ich nur die Dringlichkeit kommuniziere, versinke ich schnell in eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion, stecke den Kopf in den Sand und will nichts mehr hören. Aber es gibt die positive Vision, und die ist ziemlich konkret, denn die Ökologisierung schafft viele Arbeitsplätze, belebt die Wirtschaft und bringt uns Lebensqualität. Das aufzuzeigen, ist auch unser Ansatz hier im Kontext-Institut.
Aber sind den Menschen nicht einfach andere Themen wichtiger, etwa die Teuerung?
Rogenhofer: Viele Menschen leiden unter der Teuerung, aber warum gibt es die? Weil wir so abhängig von russischem Gas waren. Das ist durch den Angriffskrieg schlagartig teuer geworden und hat die Inflation angeheizt. Deshalb ist die strategische Unabhängigkeit wichtig. Wenn wir stabile Energiepreise wollen, müssen wir Erneuerbare ausbauen.
Die Grünen haben als Regierungspartei stark verloren. Ist das eine Absage an Klimapolitik?
Deutsch: Ich würde das nicht so interpretieren. Viele Wählerinnen und Wähler sehen Klimaschutz weiterhin als wichtig an. Die Frage ist eher: Wurden Menschen in ihren Lebensrealitäten abgeholt?
Rogenhofer: Viele Regierungsparteien wurden abgestraft - das hat auch mit den multiplen Krisen zu tun, die sie zu managen hatten. Doch die künstliche Trennung zwischen Wirtschaft und Klima, die manchmal hochstilisiert wird, sollte eigentlich nicht existieren. Ökologisierung ist ein Wettbewerbsvorteil für Europa.
Die FPÖ stellt Klimaschutz oft als Wohlstandsverlust dar. Aber gleichzeitig wäre der Ausstieg aus fossilen Energien ein Weg zur Unabhängigkeit. Warum verfängt das Argument nicht stärker?
Deutsch: Weil es einfacher ist, Ängste vor Veränderung zu schüren. Wir sehen das besonders bei Themen wie Mobilität oder Heizungen: Menschen haben Angst vor hohen Kosten. Aber wenn Förderungen gestrichen werden, dann wird der Umstieg tatsächlich schwerer.
Rogenhofer: Freiheit bedeutet doch auch, dass Menschen die Wahl haben sollten, ob sie auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen oder eine nachhaltige Heizlösung wählen. Diese Wahlmöglichkeiten sind in vielen Bereichen noch nicht gegeben. Klimapolitik sollte daher nicht als Einschränkung kommuniziert werden, sondern Chancen für die Menschen schaffen.
Österreichs Industrie hat lange von billigem russischem Gas profitiert. Das gibt es jetzt nicht mehr. Hätte es da nicht ein Umdenken der Industriepolitik gebraucht?
Deutsch: Absolut. Industriepolitik muss vorausschauend sein. Österreich hat eine der höchsten Industriequoten Europas – das kann ein Vorteil sein, wenn es gelingt, Produktionsstandorte mit erneuerbarer Energie attraktiv zu machen. Aber dafür braucht es Planbarkeit und gezielte Förderungen. Investitionen müssen sich lohnen.
Rogenhofer: Es gibt den "Renewables-Pull-Effekt": Unternehmen siedeln sich dort an, wo es ausreichend erneuerbare Energie gibt. Aber wir sehen in Österreich, dass der Ausbau von Windkraft oder Photovoltaik oft blockiert wird. Das ist nicht nur energiepolitisch problematisch, sondern auch eine Standortfrage.
Dafür scheint die Kreislaufwirtschaft auf mehr Akzeptanz zu stoßen als andere Klimaschutzmaßnahmen.
Deutsch: Weil es greifbarer ist. Menschen sehen einen direkten Nutzen: Ressourcen-Unabhängigkeit, weniger Müll, wirtschaftliche Chancen. Irgendwie ist es für alle logisch, nicht verschwenderisch mit unseren Materialien umzugehen. Das Thema ist anschlussfähig für alle.
Rogenhofer: Zudem ist es eine Sicherheitsfrage. Wer von wenigen Rohstofflieferanten abhängig ist, macht sich erpressbar. Die EU muss sich überlegen, wo sie international einkaufen will - und wo sie eigene Kapazitäten aufbauen muss, etwa in der Batterietechnologie oder im Recycling. Und das Tolle: gerade beim Recycling haben wir viele Unternehmen in Österreich, die auf der Weltbühne mitspielen.
Sie haben das erste Jahr nach Gründung des Kontext-Instituts hinter sich. Was sind Ziele für das zweite Jahr?
Deutsch: Noch stärker Themen wie Sicherheit, Leistbarkeit und Wohlstand mit Klimapolitik zu verbinden. Klimaschutz betrifft nicht nur Umweltschutz, sondern auch wirtschaftliche Stabilität und schafft letztendlich Lebensqualität für alle.
Rogenhofer: Und wir wollen noch konkreter ins Handeln kommen – Netzwerke stärken, politische Prozesse begleiten und Desinformation aktiv entgegentreten. Die Klimakrise wird nicht warten. Die Frage ist nicht, ob sie kommt, sondern wie wir damit umgehen.
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und „Biodiversity, Conservation and Management“ an der Universität Oxford. 2019 startete sie „FridaysForFuture“ in Wien, war Sprecherin des Klimavolksbegehrens und Autorin des Buchs: „Ändert sich nichts, ändert sich alles“.
Tina Deutsch studierte Volks- und Finanzwirtschaft sowie Internationale Betriebswirtschaft in Wien, Paris, Kopenhagen und Prag. Sie arbeitete im Change Management internationaler Konzerne im Energie-, Finanz- und Beratungssektor und gründete eine Consulting Plattform.
Es gibt auch das Argument, Österreich könne das Klima nicht retten, da die Hauptemissionen woanders entstehen. Wie begegnen Sie dieser Haltung?
Rogenhofer: Selbst wenn man nur den Eigennutzen betrachtet: Klimaschutz bringt wirtschaftliche Vorteile, Unabhängigkeit und bessere Lebensqualität. Wer das ignoriert, bleibt in einer alten Denkweise stecken.
Was schon verwundert, ist, dass niemand wirklich kommuniziert, dass Benzin, Diesel, Gas und Heizöl garantiert teurer werden. 2027 kommt ja eine EU-weite CO₂-Steuer. Wird das die Debatte verändern?
Deutsch: Auf jeden Fall. Viele politische Debatten über „zu teure Klimapolitik“ verkennen, dass der Wandel sowieso kommt. Die Frage ist, ob wir ihn aktiv gestalten oder von ihm überrollt werden.
Rogenhofer: Fossile Energien werden teurer - das ist fix. Wer das ignoriert, handelt fahrlässig. Die Zukunft gehört denjenigen, die sich jetzt darauf vorbereiten.
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