Einmal Kiew – Wien, oder: Plötzlich (Gast-)Familie

Einmal Kiew – Wien, oder:  Plötzlich (Gast-)Familie
Wie die 17-jährige Darina Parokonna zu Ana und Vladimir Stojanovic stieß.

Es war eine lange Fahrt. Der Vater hat seine Tochter mit dem Auto aus Kiew hergebracht. Dann ist er umgedreht und zurückgefahren. Das muss er, weil in der Ukraine per Dekret eine Generalmobilmachung für alle Männer zwischen 18 und 60 verhängt worden ist.

Nun ist die 17-jährige Darina Parokonna also in Wien. Sie gilt als „unbegleitete Minderjährige“. Als solche wohnt sie zuerst in der „Drehscheibe“, einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Wien. Dann treten Ana und Vladimir Stojanovic in ihr Leben.

Das SOS Kinderdorf hat das Ehepaar als Pflegeeltern für das große, zarte Mädchen ausgewählt. Das klingt simpel, dahinter steht aber ein längerer Prozess, in dem mehrfach mit allen Beteiligten gesprochen und die Gasteltern auf ihre Eignung geprüft werden, wie Ksenija Andelic erklärt. Sie ist die pädagogische Leiterin des SOS-Kinderdorf Wien.

Seit knapp zwei Wochen wohnt Darina jetzt bei Ana und Vladimir in Floridsdorf. Die beiden haben Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien, Ana stammt aus Kroatien, Vladimir aus Bosnien. Sie wissen, wie es ist, in einem Land neu anzufangen, sagen sie.

Piano gemietet

Die beiden haben zwei Söhne, die bereits außer Haus sind, in der Wohnung war also Platz. Vor zwei Jahren haben sie sich deshalb entschieden, sich über das SOS Kinderdorf für ein Gastkind zu bewerben. Jetzt hat es geklappt.

Und auch, wenn es derzeit noch eine Sprachbarriere gibt: Die drei verstehen sich. Ana gibt ihr Bestes, Borschtsch (eine Art Eintopf) zu kochen, Darina findet, ihre Gastmutter macht das schon ganz gut. Und Ana freut sich, dass sie mit Darina nun endlich jemand zweiten in der Familie hat, der mit ihr ins Ballett geht. Auch ein E-Piano haben die Stojanovics für Darina gemietet.

Weil man in der Ukraine schon mit 16 maturieren kann, studiert Darina bereits – und zwar Medizin. Das geht momentan als Online-Fernstudium an der Uni in Kiew. Sobald das möglich ist, möchte Darina aber an die MedUni Wien wechseln.

Freunde aus der Ukraine sind keine hier, sagt Darina, mit ihnen hält sie über Instagram Kontakt. Mit ihren Eltern und dem großen Bruder telefoniert sie regelmäßig. In der Ukraine betreibt die Familie eine Autowerkstätte. Natürlich vermisst Darina ihre Familie. Trotzdem hat sie vor, vorerst in Wien zu blieben – zumindest einmal, um hier zu studieren, sagt sie.

Ksenija Andelic vom SOS Kinderdorf geht indes davon aus, dass der Bedarf an Gastfamilien für unbegleitet Minderjährige aus der Ukraine steigen wird. Bewerbungen sind per Mail an ksenija.andelic@sos-kinderdorf.at möglich.

Kommentare