Ein Justiz-Irrtum, eine harte Rüge – und ihre Folgen

Ein Justiz-Irrtum, eine harte Rüge – und ihre Folgen
Waffenlieferant konnte nicht voll bestraft werden. Wer ist schuld?

Von einem „inakzeptablen Fehler, der klare Konsequenzen nach sich ziehen muss“, sprach Justizministerin Alma Zadić, als vor knapp zwei Wochen ein folgenschwerer Irrtum bekannt wurde: Marsel O., Waffenlieferant des Wien-Terroristen, konnte Anfang Mai nicht voll zur Verantwortung gezogen werden, weil die Staatsanwaltschaft Wien ein anderes Verfahren gegen ihn eingestellt hatte.

So harte Worte ist man von der grünen Ministerin nicht gewöhnt. Beobachter meinen sogar, so hart habe sie noch nie jemanden gerügt. Zumindest nicht jemanden aus ihrer Justiz.

Konsequenzen

Was sind nun die „klaren Konsequenzen“? Gegen die Staatsanwältin wurde eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet – dazu äußert sich das Justizministerium aus personen- und datenschutzrechtlichen Gründen aber nicht weiter.

Zudem gebe es „strukturelle Änderungen“ in der Behörde: Im Wesentlichen geht es um Bündelung und engeren Austausch zwischen den Staatsanwälten. Verfahren sollen künftig, auch wenn sie nicht in einem engen Zusammenhang stehen, bei einer staatsanwaltschaftlichen Gruppe liegen. Vorhandenes Fallwissen soll effizienter genutzt werden, wenn Verfahren (nach dem Terrorakt gab es mehr als 30 Beschuldigte) ausgeschieden werden. Und: Der Austausch, etwa mit der Kriminalpolizei, soll „fruchtbringend genutzt werden“.

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Eine Untersuchungskommission, wie sie nach dem Terrorakt im Innenressort eingerichtet wurde, dürfte das Justizressort nicht planen. Eine solche hätte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker für sinnvoll gefunden, explizit fordern will er das auf KURIER-Nachfrage nicht. Die Ministerin solle sich aber überlegen, so Stocker, ob das Lockern der Berichtspflichten bei Strafverfahren „der Weisheit letzter Schluss“ gewesen sei. Zuletzt gab es auch andere Stimmen – inner- und außerhalb der ÖVP – die den Fehler nicht bei der Staatsanwaltschaft selbst, sondern im Justizministerium und der dortigen Fachaufsicht sahen.

Allerdings: Das eingestellte Verfahren gegen Marsel O. war nicht vorhabensberichtspflichtig, landete also erst gar nicht beim Ministerium, wie dem KURIER bestätigt wurde: „Es bestand kein direkter Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Attentäter, weshalb ihm keine terroristische Zielsetzung bei der Übergabe der Waffe nachzuweisen war.“ Heißt: Es fehlten die Voraussetzungen für ein „clamoroses“ und damit berichtspflichtiges Verfahren.

Rivalität

Die Causa dürfte die Staatsanwaltschaft Wien noch aus einem anderen Grund schmerzen – und das hat mit einer alten „Geschwister“-Rivalität mit der WKStA zu tun, wie zu hören ist.

Die WKStA gilt als „Elitetruppe“ und wird von der Justizministerin gegen jegliche Kritik eisern verteidigt. Machen dann die Wiener einen Fehler, setzt es von ihr höchstpersönlich eine harte Rüge – öffentlich und in allen Medien.

Seltene Worte der Wertschätzung, die den Wienern gerade jetzt gutgetan haben dürften, bekamen sie am Dienstag von Johann Fuchs, Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, bei der Amtseinführung ihrer neuen Chefin Michaela Obenaus. Die Staatsanwaltschaft Wien sei ein „Flaggschiff“ und eine „Kaderschmiede im Bereich der Strafrechtspflege“, sagte Fuchs. Im Vorjahr haben die dort beschäftigten 120 Staatsanwälte 21.500 Ermittlungsverfahren geführt und 6.000 Strafanträge bzw. Anklageschriften verfasst. Fuchs: „Bis auf wenige Ausnahmen hält ihre Arbeit den Überprüfungen stand.“

Die Causa Marsel O. wurde bei der Feier, bei der auch Ministerin Zadić teilnahm, nicht angesprochen.

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