Digitale Plattformen: „Notwehr gegen Wild-West-Manier“ im Netz

Digitale Plattformen: „Notwehr gegen Wild-West-Manier“ im Netz
Medienverbände begrüßen EU-Vorschlag. Der österreichische Vorstoß, der seit 1. Jänner gilt, wird evaluiert.

Im Jahr 2000 beschränkte sich der Unterhaltungswert eines Handys noch auf Spiele wie „Snake“ mit stecknadelkopfgroßen Pixeln. Mit einer Digicam konnte man erstmals beliebig viele Fotos schießen und löschen. Ins Internet wählte man sich via Modem laut piepsend und krachend ein und blockierte damit die Telefonleitung. Google, Facebook, Amazon – sie alle wurden in den Folgejahren groß.

Aus dem Jahr 2000 stammt auch die E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union. 20 Jahre später legt die EU-Kommission nun einen Vorschlag für ein Update vor: den Digital Services Act und den Digital Markets Act. Das Paket stellt umfassende Spielregeln für digitale Dienste und Märkte auf.

Monopol aufbrechen

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) begrüßen den EU-Vorschlag. Für Gerald Grünberger, VÖZ-Geschäftsführer, sind es „Notwehr-Akte“: Die gesamte Medienlandschaft werde von einer Handvoll Giganten beherrscht – und so verhielten sie sich auch, sagt er. Im Netz herrsche eine „Wild-West-Mentalität“.

Ähnlich sieht es Corinna Drumm, VÖP-Geschäftsführerin: Die Macht und Monopolstellung der Plattformen müsse aufgebrochen werden – sonst sei kein Medienpluralismus möglich. Sie sei „zu 80 Prozent“ zufrieden mit dem Vorschlag der EU, gewünscht hätte sie sich noch schärfere Sanktionen bei Verstößen.

Drumm gibt zu bedenken: Medien in Österreich unterliegen den deutlich strengeren Regeln des Mediengesetzes und der Selbstverpflichtung über den Presserat. Der Digital Services Act sei davon weit entfernt, aber: „Es ist wichtig, dass die Online-Plattformen nachziehen und ein bisschen mehr an unseren Werten teilnehmen“, sagt die VÖP-Chefin.

Positiv beurteilen Drumm und Grünberger, dass Algorithmen für das Anzeigen von Online-Werbung und das Vorreihen von Artikeln und Angeboten transparent gemacht werden sollen. Diese Mechanismen hätten Internetgiganten eine „extreme Marktmacht“ gegeben. Kurzum: „Durch den Vorschlag werden die Kleinen gefördert und die Übermächtigen in ihrem unkontrollierten Wachstum etwas eingebremst“, sagt VÖZ-Chef Grünberger.

Evaluierungspflicht

Der Vorschlag ist der Startschuss für Verhandlungen unter den 27 EU-Mitgliedstaaten. Bis die Verordnung in Kraft tritt, dürften mindestens noch zwei Jahre vergehen, glaubt Karoline Edtstadler (ÖVP), Ministerin für Europa und Verfassung. Ein österreichisches Gesetz, das ebenfalls Verantwortung und Transparenz der großen Plattformen regelt, ist seit 1. Jänner in Kraft. Edtstadler sieht Österreich als „Tempomacher“ – man habe mit dem Paket gegen Hass im Netz als eines der ersten Länder Europas klargemacht, „dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist“.

Das österreichische Gesetz wurde im Nationalrat beschlossen, bevor die EU-Kommission ihren Vorschlag präsentiert hat. Kritisiert wurde von EU-Seite, dass es Überschneidungen gebe.

Edtstadler hat daraufhin eine Evaluierungsklausel im Gesetz hinzugefügt. Die Evaluierung soll nach zwei Jahren, also 2023, stattfinden. „Wenn der Digital Services Act direkt anwendbar ist, wird unser Gesetz dadurch wohl ersetzt“, sagt sie.

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