Schieder zu EU-Wahl: "Es geht um Bestand oder Zerfall"
Sie will „raus aus der Politik-Blase“, den Menschen zuhören, „gar keine richtige Politikerin“ sein, sondern eine „engagierte Bürgerin“, halt in einer höheren Position. Eines sei sie sicher nicht: „eine One-Woman-Show“, wie SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner Dienstagabend im ORF-Report klarstellte.
Da war sie mit dem Vorwurf konfrontiert worden, als Oppositionschefin kaum präsent zu sein. Das letzte starke Lebenszeichen – das Veto gegen die Ökostrom-Novelle im Bundesrat – schafften die Roten ohne sie, die Kommunikation nach außen – inklusive kantiger Ansagen - übernahm ihr Stellvertreter im Klub, Jörg Leichtfried.
Diese Woche sollte anders laufen: Zwei Auftritte innerhalb von zwei Tagen – das ist offenbar auch mehr, als ihre Redenschreiber gewöhnt sind. Sie hatten der Chefin für die beiden Auftritte nur eine Pointe vorbereitet.
So kam es, dass Rendi-Wagner beim Wiener Auftakt zum EU-Wahlkampf am Dienstag jenen Vergleich ziehen musste, den sie schon tags zuvor bei einer Podiumsdiskussion mit Autor Robert Menasse zum Besten gab.
„Mit der EU ist es wie mit dem Impfen. Es gab so lange keine Epidemie der ansteckenden Infektionskrankheiten mehr, dass wir vergessen haben, wie gefährlich sie sind.“ Genauso sei es mit der EU.„Errungenschaften wie der europäische Frieden werden als selbstverständlich wahrgenommen.“
Rendi-Wagner: Konservative sind verantwortlich für Brexit
Ein bisschen Mut
Ihr Appell an die rund 500 Funktionäre im Kursalon Hübner, wo sich Wiens Sozialdemokraten auf den EU-Wahlkampf einstimmten: „Machen wir den Menschen Mut, an dieses Europa zu glauben – und auch dazu zu stehen.“
Mut demonstrieren wollte die SPÖ-Spitze bereits beim Einzug: Zu den Klängen von „Fearless“ („Furchtlos“) zogen die roten Kandidaten für die EU-Wahl – allen voran Andreas Schieder – gemeinsam mit Rendi-Wagner und Bürgermeister Michael Ludwig ein.
"Fearless": So wurden Rendi-Wagner, Ludwig und Co. empfangen
Ludwig nutzte die Rede einmal mehr für Attacken gegen die Bundesregierung. Die Fronten sind klar: Auf der einen Seite Türkis-Blau; auf der anderen Seite Rot – repräsentiert von Rendi-Wagner. „Kein Vergleich“, so der Bürgermeister. Wie er das meinte, ließ er offen.
Eigentlich ging es an dem Abend aber um einen, der zwar Wiener Bürgermeister werden wollte, jetzt aber Spitzenkandidat für die EU-Wahl ist. Das passe ganz gut, sei er doch „seit Jugendtagen ein glühender Europäer“, sagte Schieder zum KURIER.
„Debatten-Camps“ in den Ländern
Der Abend im Kursalon Hübner sollte ein „Warm-Up“, also ein Aufwärmen für die EU-Wahl sein. „Es geht darum, unsere Funktionäre zu mobilisieren und zu begeistern. Wir starten in Wien und gehen dann in alle Bundesländer“, erklärte Schieder.
In den kommenden Wochen finden so genannte „Debatten-Camps“ statt. Gestartet wird am Dienstag, 26. Februar, in der Steiermark, den Schluss bildet Tirol am 15. März. Bis dahin sollen Ideen für das Wahlprogramm gesammelt werden, abgestimmt wird dieses auch mit dem Programm der europäischen Sozialdemokraten.
Rote Spurensuche
Bestand oder Zerfall?
Wie der frühere Klubchef den Wahlkampf anlegen wird, ist klar: in Extremen. Die Wahl sei „eine Grundsatzentscheidung für alle Generationen“. Es gehe um die Frage, „ob Europa Bestand hat oder zerfällt“, sagte er mit Blick auf die Rechtspopulisten, die in den EU-Umfragen zulegen.
Auch thematisch geht es um Existenzielles: Stichwort Daseinsvorsorge. Die EU mache Druck auf die Kommunen, zu privatisieren. Schieder hielt dagegen: „Hände weg von unserem Wasser.“ Beim Wiener Publikum kam das gut an. Schieder warnte dann auch gleich vor der Privatisierung des öffentlichen Verkehrs, des sozialen Wohnbaus und sogar des Grünraums.
Schieder fordert stattdessen ein Investitionspaket für die europäische Infrastruktur: Dazu gehören etwa ein Schnellzug-Liniennetz quer durch Europa, der Ausbau des Breitband-Internets und einen effizienteren Transfer von Ökostrom aus dem Norden in südlichere Länder.
Als zweites großes Thema im Wahlkampf will die SPÖ die Steuergerechtigkeit angehen. Konzerne sollen in die Pflicht genommen werden und ihre Steuern dort zahlen, wo sie ihren Umsatz lukrieren.
Drittes Thema: „Wohlfahrtsstaat Europa“ mit der Forderung nach einem einheitlichen Mindestlohn, angepasst an das Lohnniveau der einzelnen Länder.
Als Schieder seine flammende Rede vor den 500 Wiener Delegierten hielt und seine Pläne für den Wahlkampf beschrieb, war Rendi-Wagner übrigens längst nicht mehr da. Sie machte sich am Dienstagabend nach einem TV-Auftritt noch auf den Weg nach Salzburg. Auch sie tourt ab sofort durch die Bundesländer. Mit weiteren Auftritten ist also zu rechnen.
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